© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/08 20. Juni 2008

Baracks Problem
USA: Die Amerikaner haben Bush und seine Republikaner satt - reicht das für einen Obama-Sieg?
Patrick J. Buchanan

Sehen Sie, da haben wir den ersten Afro-Amerikaner aus der gesellschaftlichen Mitte, der redegewandt und intelligent und anständig ist und dazu noch gut aussieht. ... Das ist ja wie aus dem Märchenbuch." So beschrieb Joe Biden vor einem Jahr gegenüber dem New York Observer seinen Rivalen um die Nominierung als demokratischer Präsidentschaftskandidat, Barack Obama.

Der 65jährige US-Senator für Delaware ging allerdings davon aus, daß der erst 46jährige Obama die Präsidentschaftswahl nicht gewinnen könnte, denn er sei "ein Anfänger, der bloß vier Jahre lang als Senator gedient hat ... Ich kann mich nicht daran erinnern, ein einziges Wort von Barack über einen Plan oder eine Taktik gehört zu haben." Biden sah sich zu einer Entschuldigung genötigt. Dennoch traf seine Beschreibung von Obamas Stärken im Vorwahlverfahren, die sich im November als Schwächen erweisen können, den Nagel auf den Kopf.

Der Neuling Obama konnte gleich drei Asse ausspielen. Er hatte gegen den Irak-Krieg Stellung bezogen - ein entscheidender Faktor für eine Partei, die den Krieg mittlerweile verabscheute. Als Afro-Amerikaner konnte er Millionen von schwarzen Wählern mobilisieren. Zuderm ist Obama ein Naturtalent, ein politischer Superstar wie einst John F. Kennedy, dessen gutes Aussehen, Charme, Jugendlichkeit und Redestil Menschenmengen begeistern.

Somit gelang es Obama, den "McGovern"-Flügel der Partei - junge, idealistische, liberale Kriegsgegner, deren massive Unterstützung 1972 nicht verhindern konnte, daß ihr Präsidentschaftskandidat George McGovern haushoch gegen den republikanischen Amtsinhaber Richard Nixon verlor - mit der schwarzen Klientel unter einen Hut zu bringen, die in den 1980er Jahren den Baptistenpastor Jesse Jackson zum ersten schwarzen US-Präsidenten machen wollte. Bei den Vorwahlen konnte er Hillary Clintons Koalition aus katholischer Arbeiterklasse, Frauen, Rentnern und Latinos schlagen.

Nach der momentanen Lage und den traditionellen Regeln der US-Politik zu urteilen, müßten die Demokraten im Herbst einen ähnlich sicheren Sieg einfahren wie Franklin Delano Roosevelt 1932: 80 Prozent der US-Bürger sehen ihr Land auf falschem Kurs, 70 Prozent sprechen George W. Bush die Kompetenz ab. Die Arbeitslosigkeit steigt ebenso wie die Preise für Benzin und Nahrungsmittel. Ständig liest man neue Schlagzeilen über Zwangsvollstreckungen und Familien, die ihre Häuser verlieren. Die Einkommen der Mittelschicht stagnieren, während Millionen ihrer besten Arbeitsplätze ins Ausland verlagert werden.

Trotzdem deuten Umfrageergebnisse auf ein knappes Rennen zwischen dem 71jährigen republikanischen Senator John McCain und Obama hin. Und aus der Wählerverteilung ergeben sich heikle Probleme für Obama. Beispielsweise will er Colorado, Nevada und New Mexico gewinnen. In allen drei Bundesstaaten könnten die Stimmen der Latinos den Ausschlag geben. In den Vorwahlen unterlag Obama unter der hispanischen Wählerschaft eins zu zwei gegenüber Hillary Clinton. Schuld daran waren auch die zunehmenden Spannungen und Rivalitäten zwischen den beiden größten US-Minderheiten, Schwarzen und Latinos. Weiter muß Obama Michigan und Pennsylvania halten und Ohio oder Virginia hinzugewinnen. Im Süden kommt er jedoch bei weißen Arbeitern und Frauen auffällig schlecht an.

Nach seiner Siegesserie im Februar verlor Obama die Vorwahlen in Texas, Ohio, Pennsylvania, Indiana, dann West Virginia, Kentucky, Puerto Rico und South Dakota gegen Clinton. Je länger der Wahlkampf andauerte, desto weniger geneigt schienen die Demokraten, ihn zu nominieren. Wo liegt Obamas Problem? "Middle America", also die einfachen Leute in der Provinz, die das Rückgrat der Bevölkerung ausmachen, wissen wenig über ihn, und was sie wissen, mißfällt ihnen eher. In West Virginia fiel einer Mehrheit als erstes Obamas Pfarrer Jeremiah Wright (JF 16/08) ein. In Pennsylvania war vielen Demokraten vor allem Obamas Aussage bekannt, sie hielten aus "Verbitterung" an ihren Vorurteilen, Bibeln und Schußwaffen fest.

Anfang dieses Monats herrschte in seiner eigenen Partei starker Widerstand gegen Obamas Nominierung. Er gründet sich auf die Überzeugung, er sei zu unerfahren, um in Kriegszeiten den Posten des Obersten Befehlshabers zu übernehmen, stehe zu weit links und habe für die Werte der Durchschnittsamerikaner weder Verständnis noch Sympathie. Kurz gesagt: "Er ist keiner von uns."

Wenn Obama diese Wahrnehmung nicht ändern kann, wird er nicht der 44. US-Präsident. Die Demokraten mögen sich noch so bemühen, die Wirtschaftslage zum Hauptthema des Wahlkampfes zu machen, für die Republikaner ist Obama das Thema. So oder so ähnlich wird ihr Ansatz lauten: Wir können unser geliebtes Amerika nicht - zumal mitten in einem Krieg - dieser radikalen und exotischen Figur mit all diesen Irren und Extremisten in seinem engen Umfeld anvertrauen.

Obamas Problem ist also dasselbe, das Ronald Reagan 1980 hatte. Damals wollten die Amerikaner den demokratischen Präsidenten Jimmy Carter ebenso loswerden, wie sie heute Bush und seine Republikaner satt haben. Dennoch hatten sie Vorbehalte, die Reagan im Fernsehduell gegen Carter auszuräumen wußte. Er stellte sich als zwar konservativer, aber dabei durchaus der republikanischen Tradition entsprechender Kandidat dar, wirkte humorvoll und sympathisch. Mag sein, daß Obama in den Debatten gegen McCain seine Persönlichkeit ähnlich in Szene setzen kann. Allerdings hat er gegen Clinton zwei Dutzend Debatten geführt und zum Ende des fünfmonatigen Vorwahlprozesses dennoch Boden verloren.

 

Patrick J. Buchanan war mehrfach US-Präsidentschaftskandidat. Er ist Mitbegründer der Zeitschrift "The American Conservative".

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