© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/08 20. Juni 2008

Kampf um Ohren und Augen
Expansionsdrang: Warum die Öffentlich-Rechtlichen stärker eingeschränkt werden müssen
Detlef Kühn

In der Bundesrepublik setzten die Besatzungsmächte nach 1945 bei der Neuordnung der gedruckten Presse auf eine privatrechtliche Lösung. Ausgewählte Deutsche wurden mit Lizenzen zur Herausgabe von Zeitungen und Zeitschriften ausgestattet und durften dann ihre Produkte herstellen und vertreiben. Eine Zensur fand allenfalls nachträglich statt.

Beim Rundfunk zog man dagegen eine öffentlich-rechtliche Form der Organisation vor, wie sie vor allem die Engländer von ihrer British Broadcasting Corporation (BBC) kannten. Dafür sprachen technische Gründe der Frequenzverwaltung, aber sicher auch die Überlegung, daß man das "flüchtige Wort" so besser kontrollieren konnte. Die Finanzierung der Rundfunkanstalten erfolgt seitdem durch Gebühren, die zwangsweise bei den Besitzern von Empfangsgeräten erhoben werden. Da Rundfunk nach dem Grundgesetz Ländersache ist, werden die Einzelheiten durch Ländergesetze und, sofern länderübergreifende Regelungen notwendig sind, durch Staatsverträge der Bundesländer geregelt.

Anfang der 1980er Jahre entschloß man sich, auch Rundfunk und Fernsehen in privatrechtlichen Organisationsformen zuzulassen. Da die nötigen Frequenzen Mangelware waren, wurden in den Bundesländern Landesmedienanstalten geschaffen, die den interessierten Firmen nach Ausschreibungen Lizenzen erteilen und darauf achten sollten, daß die allgemeinen Gesetze eingehalten werden. Die privaten Veranstalter müssen ihre Programme durch Werbung finanzieren. Dieses System wurde nach 1990 auf die neuen Bundesländer übertragen.

In diesem dualen System stehen sich öffentlich-rechtliche und private Rundfunkveranstalter in einem scharfen Konkurrenzverhältnis gegenüber. Sie kämpfen um die begehrten Frequenzen und danach vor allem um Hörer und Zuschauer. Dieser Kampf ist allerdings sehr ungleich. Die Privaten müssen die Investitionsmittel auf dem Kapitalmarkt suchen. Da sie ihre Programme den Adressaten kostenlos anbieten, müssen sie die Programmausgaben durch Werbung und Sponsoren finanzieren. Das gelingt nur, wenn die Veranstalter gegenüber der werbenden Wirtschaft eine erhebliche Akzeptanz ihrer Programme nachweisen können. Die Landesmedienanstalten wachen im übrigen über die Einhaltung der Gesetze und Lizenzauflagen und dürfen bei Verstößen zum Beispiel gegen die Werberichtlinien empfindliche Strafen verhängen.

Ganz anders beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk: Er braucht sich um die Finanzierung seiner Programme kaum Sorgen zu machen. Die benötigten Mittel werden durch die Rundfunkstaatsverträge festgelegt, regelmäßig erhöht und dann zwangsweise bei den Besitzern von Empfangsgeräten eingetrieben. Dennoch dürfen auch die Öffentlich-Rechtlichen zusätzlich Werbezeiten verkaufen und Sponsoren gewinnen. Dabei unterliegen sie praktisch keiner Aufsicht von außen, sondern nur einer meist recht lässigen Beobachtung durch die Mitglieder hausinterner Gremien. Hier hackt selten eine Krähe der anderen ein Auge aus. Etwa bei Verstößen gegen das Verbot der Schleichwerbung hat man nicht viel zu befürchten.

Der Expansionsdrang der Öffentlich-Rechtlichen ist stark entwickelt. Weil das Bundesverfassungsgericht ihnen wegen der erhofften Qualität ihrer Sendungen eine Bestands- und "Entwicklungs"-Garantie zugesprochen hat, dürfen sie ihrer privaten Konkurrenz das Leben in einem Ausmaß schwermachen, das nur noch als unfair zu bezeichnen ist. Das betrifft die Gebührenfinanzierung als solche, aber vor allem die Unterhaltung einschließlich der besonders kostspieligen Sportberichterstattung, die für die Privaten häufig unbezahlbar ist.

Die Medienpolitiker aller Parteien haben bisher immer ihre schützende Hand über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gehalten, der ihnen im Gegenzug gern häufige Präsenz in diesem Medium ermöglicht. Nun scheint sich an dieser bislang ungebremsten Entwicklung etwas zu ändern. Bei den Ministerpräsidenten der Länder, die die Medienpolitik zu ihrer Domäne gemacht haben, rührt sich erstmals Widerstand gegen die Expansionsabsichten von ARD und ZDF. Diese drängen nicht nur auf weitere Gebührenerhöhungen, sondern immer stärker auch ins Internet. Da man technisch Personalcomputer auch als Rundfunkempfänger nutzen kann, möchten sie - nicht ohne Logik - auch für diese Gebühren kassieren, was ihre Einnahmen nochmals um Hunderte Millionen erhöhen würde. Vor allem möchten sie ihre Mittel aus der Tasche des Gebührenzahlers auch in neue Tätigkeitsfelder im Internet investieren, etwa Textangebote machen, die nichts mit dem aktuellen Programm zu tun haben. Das würde fatal den Angeboten ähneln, die die Zeitungen als zweites Standbein neben ihre häufig schrumpfenden Printausgaben ins Netz stellen, und sie damit ins Mark treffen. Deshalb laufen die großen Verlage, die auch an privaten Rundfunkveranstaltern beteiligt sind, gegen diese Pläne Sturm.

Vergangene Woche nun haben die Ministerpräsidenten zu erkennen gegeben, daß sie die Medienangebote von ARD und ZDF stärker einschränken wollen als bisher geplant. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Logisch wäre es, wenn sie im Interesse der Meinungsvielfalt auch andere Ungereimtheiten im dualen System beseitigen würden und den Öffentlich-Rechtlichen vor allem die Werbung verbieten würden. Sonst droht ein öffentlich-rechtlicher Medienkonzern, der im wahren Sinne des Wortes "konkurrenzlos" wäre.

 

Detlef Kühn war 1990/91 Verwaltungsdirektor und später Rundfunkdirektor bei Sachsenradio in Leipzig und von 1992 bis 1998 Direktor der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (SLM) in Dresden.

Abbildung: Internetauftritt des ZDF: Die großen Verlage, die auch an privaten Rundfunkveranstaltern beteiligt sind, laufen Sturm gegen Pläne der Öffentlich-Rechtlichen, ihr Angebot zu erweitern

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