© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/08 20. Juni 2008

Frisch gepresst

Nina Stauffenberg. Nina von Lerchenfeld, seit 1933 verheiratet mit dem Reichswehroffizier Claus Schenk Graf von Stauffenberg, starb am 2. April 2006 mit fast dreiundneunzig Jahren. In unserem zu brutaler Kürze neigenden Gedächtnis war sie "die Witwe des Attentäters", bis in die 1970er sogar in manchen Kreisen die des "Verräters". Wie alle Frauen des 20. Juli erfuhr sie in der Zeitgeschichtsforschung eher geringe Beachtung, zumal sie sich nicht wie Annedore Leber oder Clarita von Trott zu Solz aktiv in die Widerstandsforschung "einmischte". Erst in einem Gruppenporträt Dorothee von Medings gewann sie 1995 etwas stärkeres Profil, und auch in Peter Hoffmanns herausragender Stauffenberg-Biographie ist sie mehr als eine Frau im Schatten des Helden. Die nun von ihrer jüngsten Tochter, Konstanze von Schulthess, geboren im Januar 1945 während der "Sippenhaft" ihrer Mutter, vorgelegte Lebensskizze ist natürlich liebevoll und sehr persönlich, für manchen Historiker vielleicht zu "subjektiv" ausgefallen (Nina Schenk Gräfin von Stauffenberg. Ein Porträt. Pendo Verlag, München-Zürich 2008, gebunden, 224 Seiten, Abbildungen, 19,90 Euro). Trotzdem gelingt es ihr, übers privat Familiäre hinaus im Individuellen das Typische einer Generation zu veranschaulichen, der zwei Weltkriege nicht eine heute vollends fabulös anmutende, in Gemeinschaften, Traditionen und Institutionen gewachsene und gehärtete Lebenskraft erschüttern konnten.

 

Wehrmacht im Osten. Mit einer Untersuchung über "Deutsche Militärbesatzung und einheimische Bevölkerung in der Sowjetunion 1941-1945" kann man sich immer noch habilitieren. Dies belegt Dieter Pohls Arbeit mit dem knalligen Obertitel "Die Herrschaft der Wehrmacht" (R. Oldenbourg Verlag, München 2008, gebunden, 399 Seiten, Abbildungen, 39,80 Euro). Und damit es mit der Karriere auch schön vorangeht, verzichtet Privatdozent Pohl, Jahrgang 1963, darauf, die von dem zum moralischen Overkill neigenden Kollegentroß im Umfeld von Reemtsmas "Wehrmachtausstellung" hinlänglich breit ausgetretenen Pfade auch nur um Millimeter zu verlassen. Folglich ist für ihn "Polen 1939" im Sinne Jochen Böhlers (Deutsches Historisches Institut in Warschau) "der erste Vernichtungskrieg" (JF 45/06). Und ein zünftiger "Abweichler" wie Klaus Jochen Arnold (JF 12/05), der die sowjetische Seite für die Radikalisierung des Krieges an der Ostfront verantwortlich mache, folge natürlich nur "Rechtfertigungsstrategien der damaligen Akteure". Derart die Weichen stellend, zelebriert Pohl mit den reichen Aktenschätzen des Freiburger Militärarchivs eine positivistische Fußnoten-Corrida, über deren Ausgang auf keiner Seite je der leisteste Zweifel aufkommt.

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