© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/08 20. Juni 2008

Meldungen

Harry Bresslau und das wilhelminische Vorurteil

GÖTTINGEN. Der jüngste Band des Jahrbuchs des von Dan Diner geleiteten Leipziger Simon-Dubnow-Instituts schafft sich mit den durchweg auf englisch publizierten Beiträgen zu einer "internationalen Konferenz" zum Thema "The Early Modern Culture and Haskalah" selbst das beste Rezeptionshindernis im deutschen Sprachraum. Darunter dürften auch die wenigen muttersprachlichen Aufsätze zu leiden haben. Nur die Wissenschaftshistorikerin Aleksandra Pawliczek müßte mit ihrer Studie über den jüdischen Mediävisten Harry Bresslau (1848-1926) davon sogar profitieren - sollte es ihr doch nur recht sein, daß man ihren Verirrungen wenig Aufmerksamkeit widmet. So glaubt sie als Besonderheit wilhelminischer Hochschulpolitik ausgemacht zu haben, daß das "Zufallsprinzip" das Berufungskarussell drehte und die "akademische Auslese" von "Geschlecht, politischer Auslese, sozialer Herkunft und Religion", mithin nach "außerwissenschaftlichen Kriterien" bestimmt wurde. Abgesehen von Religion und Herkunft dürfte es 2008 in den weltanschaulich relevanten Disziplinen bundesdeutscher Hochschulen kaum anders zugehen, in politicis sogar unvergleichlich schlimmer. Aber da Pawliczek Bresslau, den "Papst der Historischen Hilfswissenschaft", dessen "Handbuch der Urkundenlehre" noch heute als Standardwerk im Gebrauch ist, partout zum Opfer des "Antisemitismus" stilisieren möchte, muß ein fürs Kaiserreich typisches Milieu des "Ressentiments" kreiert werden. Daß der scharf deutschnationale Bresslau auf seinem Straßburger Lehrstuhl für sie dort nur "vielleicht" als "‚Verfechter der deutschen Sache im einstigen Reichsland'" gewirkt habe, paßt zu einer Deutung, die sich zuverlässiger aus dem "Ressentiment" speist als die wilhelminische Gelehrtenkultur. 

 

Hermannschlachtfeier  wirft Schatten voraus

KALKRIESE. Auch wenn ein exaktes Datum nicht überliefert ist, laufen die Vorbereitungen der Zweitausendjahrfeier der "Varusschlacht" auf Hochtouren. Unter dem Titel "Imperium-Konflikt-Mythos" beleuchtet ein Ausstellungsprojekt vom 15. Mai bis 25. Oktober 2009 unter Schirmherrschaft von Kanzlerin Merkel und EU-Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering alles um den einst als Hermannschlacht bezeichneten Wendepunkt in der europäischen Geschichte im Jahr 9 n. Chr. Bereits seit Mitte Juni 2008 steuert nun als Vorbote ein von Geschichtswissenschaftlern der Universität Hamburg nachgebautes Römerschiff nach Abschluß der wissenschaftlichen Arbeiten mit dem 16 Meter langen, bis zu elf Knoten schnellen und extrem wendigen Schiff verschiedene Städte zwischen Magdeburg, Nimwegen, Bonn und Ingolstadt an.

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