© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/08 27. Juni 2008

Aufgeschnappt
Jens Jessen hatte recht
Matthias Bäkermann

Der Prozeß gegen die Münchner U-Bahn-Schläger, die einen Rentner unter antideutschen Haßtiraden fast zu Tode getreten haben (siehe Seite 4), ruft bei manchem die etwas eigenwillige Interpretation dieser Tat des Zeit-Feuilleton-Chefs Jens Jessen ins Gedächtnis: Dieser hatte diese "Gewalttaten spontaner Natur" mit "der Atmosphäre der Intoleranz" erklärt, da junge Ausländer "Gängelungen, Ermahnungen und blöden Anquatschungen deutscher Spießer" ausgesetzt seien. Im konkreten Fall hatte der pensionierte Lehrer die jungen Kulturbereicherer gebeten, sie mögen das Rauchen im U-Bahn-Abteil unterlassen. Eine Welle der Empörung über den Hamburger Journalisten war die Folge.

Vielleicht zu Unrecht. Denn wie ein Fall im pommerschen Pasewalk beweist, treibt das von Jessen beklagte Täterprofil weiter ungestört sein tugendhaftes Unwesen. Auf dem dortigen Bahnhof hatte am vergangenen Freitag nämlich ein Rentner aus Freiberg (Sachsen) eine 17jährige und ihren 21jährigen Begleiter aufgefordert, Unrat vom Bahnsteig zu entfernen. Da das Paar diese Aufforderung des 70jährigen Sachsen nicht nur ignorierte, sondern auch noch frech abstritt, für den herumliegenden Müll verantwortlich zu sein, schlug der ordnungsfixierte Rentner der kessen Range seine Hand ins Gesicht und drohte weitere Backpfeifen an. Zugute kam dem Schläger indes, daß die Heranwachsenden waschechte Halberstädter aus Sachsen-Anhalt waren und diese - statt mit "Gewalttaten spontaner Natur" zu antworten - es mit der Erstattung einer Strafanzeige wegen Körperverletzung bei der dortigen Bundespolizeiwache bewenden ließen.

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