© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/08 27. Juni 2008

Neue Beweglichkeit im Heiligen Land
Naher Osten: Verfeindete Konfliktparteien nähern sich an / Israelische Friedenspolitik als Flankenschutz gegen Iran?
Günther Deschner

In den Spannungsfeldern von Nahostkonflikt, Iran und Israels EU-Beitrittsambitionen gab es viele Überraschungen. Die Friedensverhandlungen zwischen Syrien und Israel (JF 21/08), die Doha-Vereinbarung zum Libanon (JF 23/08), kurz darauf das Angebot Israels, auch mit Beirut Frieden zu schließen, der Abschluß eines Waffenstillstands zwischen Israel und der islamisch-palästinensischen Hamas - dies alles bestätigt eine Tendenz, die sich schon seit längerem abgezeichnet hat.

Die Regierungen einiger mit den USA verbündeter Staaten im Nahen und Mittleren Osten wie Saudi-Arabien und Israel sind bereit, mit erklärten früheren Gegnern Kompromisse auszuloten. Israels Premier Ehud Olmert, der stets gepredigt hatte, mit radikalen Feinden verhandle man "grundsätzlich" nicht, hat sich dabei am weitesten vorgewagt. Mit Baschar Al-Assad möchte er in zwei Wochen in Paris am liebsten direkt verhandeln, während Syriens Staatschef anmahnt, Friedensverhandlungen zwischen den "Erbfeinden" müßten "seriös" vorbereitet sein. Eine auf Dauer angelegte Friedenslösung habe nur mit Zustimmung Washingtons eine Chance. Olmerts Verteidigungsminister Ehud Barak äußerte sich ähnlich: "Nur Washington kann einen israelisch-syrischen Frieden garantieren. Wegen der Präsidentschaftswahlen kann es frühestens Ende des Jahres soweit sein."

Olmerts Bereitschaft zu schnellen Kompromissen wird auch mit seinen innenpolitischen Problemen (JF 22/08) erklärt. Würde der unter Korruptionsverdacht stehend Politiker bald als "Friedensstifter" dastehen, wäre er kaum abwählbar. Das dürfte allerdings zu kurz gegriffen sein: Denn die aktive Friedenspolitik Israels könnte auch dem Zweck dienen, die arabischen Partner Irans aus der Umarmung Teherans zu lösen und die Islamische Republik politisch zu isolieren. Um dieses Ziel zu erreichen, müßte Israel auf Forderungen Syriens, Libanons und der Palästinenser so weit eingehen, daß das Bündnis mit Iran auch in Damaskus, Beirut und Gaza nicht mehr lebenswichtig erscheint.

Wegen der Fixierung Israels auf die zumindest "gefühlte" Gefährdung durch Irans Atompolitik sind die jüngsten Meldungen, die israelische Luftwaffe habe kürzlich mit hundert Kampfflugzeugen des Typs F-16 und F-15 im östlichen Mittelmeerraum den Angriff gegen iranische Atomanlagen geübt, keineswegs überraschend. Auch Olmert hat sich - inmitten seiner diversen Friedensaktivitäten - erneut aggressiv gegen Teheran geäußert. Israel werde nicht zögern, den Iran anzugreifen, sollte die nukleare Bedrohung größer werden, sagte er.

Die EU spielt in diesem Kontext eine immer einseitigere Rolle, wie der gerade gefaßte Beschluß zu verschärften Sanktionen gegen den Iran gezeigt hat. Auch in EU-Gesprächen mit israelischen Regierungsvertretern, die vergangene Woche stattfanden, stand nicht der Friedensprozeß in Nahost im Mittelpunkt, sondern die Einbeziehung Israels in wichtige Strukturen der EU. In den laufenden Verhandlungen strebt Tel Aviv an, die Rechte und Privilegien eines EU-Mitglieds zu erhalten. Insbesondere zu Sicherheitsfragen und zu den Beziehungen mit den nordafrikanischen und arabischen Staaten sowie in die EU-Aktivitäten im UN-Rahmen möchte Israel einbezogen werden.

Kritiker einer so aufgewerteten Partnerschaft befürchten, daß die EU - als dann offenkundig nicht mehr neutraler Partner - als Akteur im Nahostkonflikt, etwa im Rahmen des "Nahostquartetts", weiter an Bedeutung verlieren könnte. Der Präsident des Europaparlaments, Hans-Gert Pöttering (CDU), kritisierte, daß nach dem Außenministerrat von Anfang Mai, bei dem das Thema Israel zur Debatte stand, das EU-Parlament "nicht die geringste Information darüber" erhalten habe.

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