© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/08 04. Juli 2008

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Fanal
Karl Heinzen

Aus Protest gegen den "Sprit-Wucher" hat ein 30jähriger arbeitsloser Mann aus Bayern, der sich auf seiner Internetseite "Michael" nennt, auf einer Grünanlage vor der Frankfurter Messe sein Auto angezündet. Anders als jene von den Zeitläuften enttäuschten Menschen, die vor drei Jahren in französischen Vorstädten ihren Unmut auf ähnliche Weise sichtbar machen wollten, war er nicht darauf aus, Unbeteiligte, die womöglich mit dem Zustand der Welt recht zufrieden sind, zu schädigen. Um jene 10.000 Euro, die sein ausgebranntes Fahrzeug noch wert gewesen sein soll, ist er selbst ärmer. Zudem hat er die Kosten des Feuerwehreinsatzes zu tragen und muß mit einer Anzeige wegen des Verstoßes gegen Umweltvorschriften rechnen. Man hat ihn daher wohl weniger als einen Terroristen denn vielmehr als einen Märtyrer anzusehen, der sein materielles Eigentum als das höchste Gut der Konsumgesellschaft für seine Überzeugung bereitwillig opfert.

Im Gegensatz zu zahlreichen Blutzeugen der Geschichte kann "Michael" jedoch nicht zugute gehalten werden, daß er der Wahrheit eine Bahn bräche. Natürlich ist sein empörter Hinweis darauf, daß der Fiskus mittels Mineralöl- und Umsatzsteuer gut zwei Drittel der an den Zapfsäulen getätigten Umsätze abkassiert, rein rechnerisch richtig. Das eigentliche Problem, das nun etwas eher als erwartet zum Tragen kommt, wird von ihm jedoch konsequent ausgeblendet: Die natürlichen Ressourcen sind nicht unerschöpflich, während die Nachfrage weltweit unaufhörlich steigt.

Die Preisexplosion für fossile Brennstoffe sollte daher nicht bejammert, sondern als Chance begriffen werden, mit marktkonformen Mitteln eine überfällige Einsicht durchzusetzen: Die Zeit, in der jeder arme Schlucker glaubte, er hätte ein Grundrecht auf Mobilität und dürfte diesem durch die Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeuges Geltung verschaffen, geht ihrem Ende entgegen. Das Fanal, das "Michael" setzte, ist daher in einer ganz anderen Weise zu interpretieren, als er selber meinte. Der Besitz eines Autos ist nur zu rechtfertigen, wenn man dieses zu Erwerbszwecken zwingend benötigt. Wer jedoch arbeitslos wird, verwirkt dieses Recht und sollte sein Kraftfahrzeug abschaffen - er muß es ja nicht gleich anzünden. Von diesem Grundsatz ausgenommen werden sollten lediglich Wohlhabende, die sich den Luxus des Tankens auch in Zukunft leisten können, ohne darüber ins soziale Nichts zu stürzen. Sie werden zudem nicht mehr mit exorbitanten Modellen protzen müssen: Ein Kleinwagen dürfte schon bald Statussymbol genug sein.

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