© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/08 11. Juli 2008

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Neuer Aufbruch
Karl Heinzen

Auf einer Veranstaltung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hat Außenminister Frank-Walter Steinmeier 2009 zu einem "Jahr der Möglichkeiten" erklärt. Wie es sich für einen qua seines Amtes auf Realismus verpflichteten Politiker gehört, bezog sich diese euphorische Bemerkung nicht auf die Aussichten seiner Partei in der bevorstehenden Bundestagswahl. Der SPD-Politiker Steinmeier hat vielmehr das Weltganze im Auge und meint, daß die Zeit für einen "neuen Aufbruch in den transatlantischen Beziehungen" gekommen ist.

Seine Freude, diese Hoffnung zum Ausdruck bringen zu können, ist verständlich. An der Seite Gerhard Schröders hat er die Eintrübung der deutsch-amerikanischen Beziehungen nicht nur miterlebt, sondern mitgestaltet. Nun könnte ihm also das Glück widerfahren, das Porzellan, das seinerzeit zerschlagen wurde, höchstpersönlich wieder zu kitten. Seinen Optimismus stützt Steinmeier auf die dem Auswärtigen Amt natürlich nicht entgangenen Tatsachen, daß sich in Moskau ein Präsidentenwechsel zugetragen hat und ein ebensolcher in Washington ansteht. Leider vernachlässigt er dabei ein wenig, daß mit dem Amtsantritt Medwedews und der Inthronisierung seines Vorgängers als Ministerpräsident das "System Putin" keineswegs überwunden wurde, sondern wohl eher in eine neue, subtilere Phase eingetreten ist.

Auf einem etwas solideren Fundament steht die Erwartung Steinmeiers, daß der Nachfolger von George W. Bush nicht umhin kommen dürfte, einen anderen Stil in der Außenpolitik an den Tag zu legen. In den USA hat sich über alle Lagergrenzen hinweg die Erkenntnis durchgesetzt, daß sie ihre Dominanz in der Weltpolitik nicht wahren können, wenn sie unentwegt Alleingänge veranstalten und potentielle Alliierte leichtfertig brüskieren.

Bereits die immer noch verhältnismäßig überschaubaren Kriege im Irak und Afghanistan haben ihnen ungeachtet ihrer ökonomischen und militärischen Ausnahmestellung die Grenzen ihrer Möglichkeiten aufgewiesen. Das sich zuspitzende Ringen um knappe Ressourcen, die Ölpreisentwicklung ist hier nur eines von vielen Symptomen, deutet jedoch darauf hin, daß der weltweite Interventionsbedarf eher wachsen als abnehmen wird. Dies wird aber nur zu leisten sein, wenn man unternehmungslustige Verbündete an seiner Seite hat. Deutschland darf darauf hoffen, in der Ära nach Bush hier endlich eine neue Wertschätzung zu erfahren. Dies setzt jedoch den Mut Berlins voraus, Globalisierung nicht nur als politische, wirtschaftliche, ökologische oder soziale Gestaltungsaufgabe anzusehen.

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