© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/08 11. Juli 2008

Meldungen

Frankreich 1870/71: Noch ein Angriffskrieg

HAMBURG. In Hans-Ulrich Wehlers jüngster Rezension hallt das Knallen der Sektkorken noch nach. Völlig aus dem Häuschen  verkündet der Bielefelder Emeritus, ganzseitig in der Zeit (Nr. 26 vom 19. Juni 2008), "Das Ende einer Legende". Auslöser dieses Jubels ist der druckfrische dritte Band von Josef Beckers Quellen-edition "Bismarcks spanische 'Diversion' und der preußisch-deutsche 'Reichsgründungskrieg'" (Paderborn 2008). Für Wehler belegt Beckers Sammlung, daß Bismarck Frankreich 1869/70 mit großer diplomatischer Finesse in die Position des Aggressors hineinmanövrierte, um endlich kriegerisch, durch einen "offensiven Erstschlag", die Reichseinheit zu stiften. Zwar fand auch Becker kein "Geständnis" des Reichskanzlers, aber für Wehler, der seit vierzig Jahren kaum ein Archiv mehr betreten hat, bedarf es keiner "offenherzigen Primärquellen", wo doch die "Logik der Kriseninszenierung" Bismarcks Schuld außer Zweifel stelle. Mit Beckers Dokumentation stehe somit fest, daß "1870/71" kein aufgezwungener Defensivkrieg geführt wurde, sondern ein "nationalpolitischer Unionskrieg", der in die "Kontinuität der 1864, 1866, 1914, 1939 von Deutschland provozierten Kriege gehört". Wenn das kein Grund zur Freude ist!

 

Explosive Altlasten in Nord- und Ostsee

BREMEN. Weniger spektakulär als die Entschärfung alliierter Bombenlasten in deutschen Großstädten gestaltet sich der Umgang mit einer ebenso gefährlichen Altlast des Krieges - den in Nord- und Ostsee entsorgten Kampfmitteln. Darunter befinden sich wiederum zahllose Blindgänger als Hinterlassenschaft alliierter Angriffe etwa auf Kiel oder Wilhelmshaven, überdies Hunderttausende nicht geborgener Seeminen und 1945/46 im Meer versenkte Munitionsvorräte einschließlich chemischer Kampfstoffe. Stefan Nehring, Umweltberater in Koblenz, hat nun in einer Reihe von Artikeln auf diese nicht nur "explosive Gefahr" aufmerksam gemacht (Waterkant 4/07 und 1/08 sowie WirtschaftsBild-Spezial, 5/08). Da nach sechzig Jahren durch Korrosionsschäden bei arsenbelasteten chemischen Kampfmitteln  "signifikante ökotoxikologische Wirkungen" zu befürchten sind, die über die Nahrungskette zu Vergiftungen von Menschen führen können, sei es höchste Zeit für eine "umfassende Sanierung" munitionsbelasteter Meeresregionen.

 

Erste Sätze

Im August 1939 soll die Sonne wie in blutigen Laken in der Ostsee versunken sein.

Sandra Kalniete: Mit Ballschuhen im sibirischen Schnee. Die Geschichte meiner Familie. Riga 2001.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen