© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30/08 18. Juli 2008

"Solange die Fackeln uns lodern ..."
In Frontstellung zur gegenwärtigen Zeit: Der Dichter Uwe Lammla beschwört prachtvolle Bilder herauf und setzt sie in strenge Formen
Georg Pfeiffer

Im Thüringen der 1980er Jahre gab es einen Kreis von Freunden, die sich an symbolhaften Orten trafen und wunderliche Reden führten. Sie trafen sich in der Stiftskirche zu Quedlinburg, im Wernigeröder Schloß, an der Hunrodseiche, am Kyffhäuser, an der Queste und alljährlich an Friedrich Nietzsches Grab in Röcken. Dort ehrten sie öffentlich und völlig unbehelligt Künstler und Denker wie zum Beispiel Novalis oder Oswald Spengler, die in der offiziellen Kulturpolitik nicht vorkamen oder auf der Prioritätenliste ganz unten standen. Einige trugen eigene Gedichte und Essays vor. In diesem Kreis hörte man von einem, der unbedingt dazugehörte, aber abwesend war. Das war Uwe Lammla.

Er hatte das Land verlassen - nicht der freien Rede, des freien Reisens oder der freien Wirtschaft, sondern der Liebe wegen - nicht der freien, sondern der unbedingten. So kam er ins bayerische Exil, das er eigentlich ablehnte.

Von München aus hielt Uwe Lammla engen Kontakt zu denen, die in der Heimat geblieben waren, und fuhr so auch regelmäßig nach Prag. Dort kaufte er Bücher aus DDR-Verlagen, um sie Münchner Buchhändlern anzubieten. Die Erträge aus diesem "grauen" Buchhandel verwendete er, um wiederum eine erstaunliche Liebestat zu finanzieren: Er ging daran, die Werke Rolf Schillings, der den Thüringer Kreis gegründet hatte, und den sie dort als "Meister" verehrten, herauszugeben. Dazu gründete er eigens einen Verlag, die Edition Arnshaugk.

Sie verlegte außerdem vergriffene und halbvergessene oder unveröffentlichte Werke von Oda Schaefer, Fritz Usinger, Karl Wolfskehl, Wolf von Aichelburg und Joachim Werneburg.

Mit dem Fall der Mauer kam der "graue" Buchhandel zum Erliegen. Um die Edition weiter finanzieren zu können, gründete Uwe Lammla in München eine Buchhandlung, die er bis heute betreibt.

Im Kern ist Uwe Lammla aber zuallererst Dichter. In fast dreißig Jahren hat er ein erstaunlich vielseitiges Werk geschaffen, ohne sich je sonderlich um seine Verbreitung und Publikation zu kümmern. Der Engelsdorfer Verlag bringt jetzt einen Teil dieses Werkes in neun kartonierten Einzelbänden heraus.

Das zentrale Thema Uwe Lammlas ist der deutsche und europäische Mythos in vielen Facetten. So besingt und preist er die staufische Reichsidee und die mittelalterliche Ökumene in der "Deutschen Passion". Im "Idäischen Licht" wendet er sich dem mediterranen Erbe zu. Das "Jahr des Heils" ist sein religiöses Bekenntnisbuch. Im "Tannhäuserland" besingt Uwe Lammla den Orlagau, den Lauf der Saale, die Thüringer Rhön und den Rennsteig. Allen seinen Dichtungen ist gemein, daß der Autor aus der ganzen Fülle der Sprache schöpft, prachtvolle Bilder beschwört und in strenge Formen und bisweilen vollendete Verse setzt.

Sowohl die Wahl der Themen und Bilder als auch die strenge Form ihrer Verarbeitung zeigen an, daß der Autor die gegenwärtig gängigen Denk- und Werteschablonen nicht nur meidet, sondern ihnen fundamental entgegentritt. So beschwört er in "Polemos" (Idäisches Licht) den Krieg in schicksalsschweren Versen mit Heraklit als den "Vater aller Dinge". Die "Burg der Gefahren" (Deutsche Passion) - das ist das hedonistisch-merkantile Treiben, welches wir als Konjunktur und Aufschwung zu sehen gewohnt sind. Uwe Lammla scheut selbst vor heißesten Eisen nicht zurück. "Bist du von Rasse ..." hebt eines seiner Gedichte an.

Mit der Zahl der gelesenen Verse nimmt die Gewißheit zu: Da ist jemand durch die Feuer des Nihilismus geschritten und gefeit geblieben! Uwe Lammlas Frontstellung zur gegenwärtigen Zeit ergibt sich nicht aus einer Lust an der Provokation, der Kritik oder der Antithese. Das Gegenteil ist der Fall: Sie ergibt sich aus seinem Bekenntnis zur geistigen Tradition, sie ergibt sich aus seinem Bekenntnis zur Schönheit und Klarheit, sie ergibt sich aus der verschwenderischen Vielfalt der Bildwelt seiner Gedichte, und sie ergibt sich schließlich aus seinem Bekenntnis zu Christus und der Heilserwartung.

Mit philosophischem Wissen und dichterischer Begabung schöpft Uwe Lammla kraftvoll aus Reservoiren, die als unnötigen Ballast abgeworfen zu haben, den fragwürdigen Stolz unserer Zeit ausmacht. Insofern rühren seine Werke an das antithetische Selbstverständnis unserer Zeit.

Bei alldem ist die Botschaft Uwe Lammlas weder pessimistisch noch fatalistisch, sondern sie stellt sich aktiv-kämpferisch gegen alle Anfechtung in der Zuversicht, mit Gottes Hilfe siegen zu können.

Uwe Lammla: Geboren am 21. Januar 1961 im ostthüringischen Neustadt an der Orla, lebt seit seiner Ausreise aus der DDR 1984 in München. Zuletzt veröffentlichte er die Gedichtbände "Das Jahr des Heils", "Tannhäuserland" und die zweite Auflage von "Traum von Atlantis" (allesamt Edition Arnshaugk, München).

 

Herr Lammla, welche Rolle spielt die Dichtung noch in unserer Zeit?

Lammla: Die Rolle, die sie immer gespielt hat. Der Dichter faßt das Denken und Empfinden seines Volkes in Verse.

Was legitimiert ihn?

Lammla: Seine dichterische Berufung. Und die kommt von Gott.

Welchem Gott?

Lammla: Von dem, der ans Kreuz geschlagen wurde.

Worin manifestiert sich die dichterische Berufung?

Lammla: Die Erfüllung eines Dichters liegt nicht darin, daß seine Bücher besprochen, gekauft, gelesen oder gar mit Preisen bedacht werden. Sie liegt allein in der freien und spontanen Rezitation seiner Verse, wie dies mit Versen von Gottfried Benn, Friedrich Hölderlin oder Conrad Ferdinand Meyer noch immer geschieht, vielleicht öfter als manch einer denkt.

Benn, Meyer und Hölderlin - sind das Ihre Vorbilder?

Lammla: Nein. Sie sind großartige Dichter, die ihren Traum in Worte gefaßt und damit den Deutschen aus der Seele gesprochen haben. Die stärkste dichterische Prägung habe ich eher von Rolf Schilling erfahren. Aber auch ihn würde ich heute nicht als mein Vor- oder Leitbild anerkennen. Es war für mich ein schmerzhafter Weg, mich von ihm als Fixstern in der Dichtung zu lösen. Heute weiß ich, daß er mich beinahe von meinem Weg weggeführt hat. Ich habe meinen eigenen Traum gefunden und die Sprache erworben, ihn in Verse zu fassen.

Auf Ihrer Internetseite präsentieren Sie sich als "Poet und Krieger". Ist das Ihr Selbstbild?

Lammla: Diese Charakterisierung stammt nicht von mir, sondern von dem Bildhauer Serge Mangin. Sie gefällt mir gut und ich zitiere sie gern, weil für mich der Kampf nicht nur eine Metapher ist, sondern Realität.

Ein zentrales Motiv in Ihrer Dichtung ist das Reich. Welches Reich meinen Sie?

Lammla: Dasselbe wie Martin Luther, als er dichtete: "Laß fahren dahin, das Reich muß uns doch bleiben".

Das Reich Gottes?

Lammla: Das ist nicht nur ein unverbindliches und harmloses religiöses Symbol, sondern eine heilige Verpflichtung für jeden Gläubigen, das Reich heute und hier erblühen zu lassen.

Sie meinen also kein bestimmtes politisches Gebilde aus der Vergangenheit.

Lammla: Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation kann uns in dreifacher Hinsicht Leitstern sein, mit seiner Partikularität, mit der ständischen Gesellschaft und der Ökumene. Im übrigen gibt es keine Wiederholungen in der Geschichte. Aber die Deutschen werden Ordnung und Vaterland finden, wenn sie zum Glauben zurückkehren.

Also ist das Reich für Sie auch ein politischer Auftrag?

Lammla: Unbedingt.

Ihr neuestes Buch enthält Wanderungen in Thüringen. Wie ordnen sich diese in Ihr Gesamtkonzept ein?

Lammla: In der Heimat, also in der erwanderbaren Welt, zeigt sich das Göttliche klarer und unverstellter als in den Globalisierungsdebatten. Hier genügt auch eine bescheidene Bildung, zu erkennen, was menschengemäß ist und was nicht. Ich mag die einfachen Leute und habe Respekt vor ihrem täglichen Kampf ums Auskommen. Im letzten Jahrzehnt ist gerade in Thüringen vieles verfallen, was aus dem 19. Jahrhundert selbst noch im Kommunismus dauerte. In den Heimatvereinen wächst ein Geist des Widerstandes. Hier kann die frohe Botschaft des Evangeliums eine weltverändernde Kraft entfalten.

 

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