© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30/08 18. Juli 2008

Meldungen

Nationalismus: keine Verirrung der Geschichte

STUTTGART. Im Merkur (6/08) nähert sich der Linksliberale Carlos Widmann nur mit spitzen Fingern Giles MacDonoghs "After the Reich" (JF 15/08), weil hier "ein heikles Thema" wie "deutsches Leid" berührt sei. Widmann versucht dem "Heiklen" dadurch die Brisanz zu nehmen, daß er die alliierten Besatzungsverbrechen mit den aktuellen "war crimes" der US-Streitkräfte im Irak parallelisiert. Aus Bagdad wagt Andreas Krüger, der dortige stellvertretende deutsche Botschafter, die Prognose, daß man sich unter McCain wie unter Obama auf eine "Renaissance des amerikanischen Interventionismus" einstellen müsse, für den Thomas Speckmann mit Blick auf einen wenig ratsamen "Präventivschlag" gegen den Iran indes kein passendes Betätigungsfeld erkennen will. Wesentlich zuverlässiger scheint dagegen die Voraussage des Historikers Jerry Z. Muller. Muller, der mit seiner Großstudie zu Hans Freyer die Geschichte der Konservativen Revolution bereicherte und sich als theologischer Laie gerade an einer Biographie des Religionsphilosophen Jacob Taubes versucht, glaubt den "ethnischen Nationalismus" als dominanten Faktor internationaler Politik im 21. Jahrhundert erkennen zu können. Allem Gerede von der Nation als "Konstrukt" hält er entgegen, daß die "Konstruktion" der Idee der Nation nichts von ihrer Kraft nehme, der Nationalismus deswegen auch keineswegs "schwach oder unendlich formbar" sei. Der "Ethnonationalismus" sei keine "zufällige Verirrung der europäischen Geschichte". Er entspreche vielmehr bleibenden Neigungen des menschlichen Geistes, bilde eine wichtige Grundlage für Solidarität wie für Feindschaft und werde "noch viele Generationen lang Bestand haben".

 

Tabu: Der 20. Juli 1944 als Verbrechen?

BERCHTESGADEN. Daß die Männer des 20. Juli nicht scheuten, ihr Leben zu geben, ist belegt. Doch ein Selbstopfer berechtigt nicht, auch andere zu opfern - nicht nach christlicher Überzeugung, aus der viele Widerständler zu handeln beanspruchten. Vier Unbeteiligte kamen immerhin durch die Bombe ums Leben. Diesem im offiziellen Gedenken unterdrückten Widerspruch widmet sich unter anderem die neue Ausgabe der Deutschen Militärzeitschrift (DMZ). Obwohl der Publikationsort verrät, daß die moralischen Aspekte politischen Zwecken - den 20. Juli als "Verrat" zu delegitimieren - nur vorgeschoben sind, bleibt die Fragestellung sittlich gültig und immerhin nähern sich die Beiträge der Problematik nicht auf unseriöse Weise. So verdeutlicht der Sohn eines Getöteten, was dieses Schicksal für ihn bedeutete: nicht nur den Vater verloren zu haben, sondern die Frage nach dessen Tod Jahrzehnte mit einem Tabu belegt zu sehen.

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