© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/08 25. Juli / 01. August 2008

Merkel überrascht die CSU
Parteitag: Die Kanzlerin und CDU-Chefi n übertrumpfte mit einer kämpferischen Rede in Nürnberg Huber und Beckstein
Hinrich Rohbohm

Der Empfang war freundlich. Als Bundeskanzlerin Angela Merkel am vergangenen Wochenende auf dem Nürnberger CSU-Parteitag eintraf, spendeten ihr die Delegierten artig Beifall. So wie es sich als guter Gastgeber gehört, wenn die Vorsitzende der großen Schwesterpartei zu Besuch kommt.

Daß sie nach ihrer Rede jedoch von der CSU-Basis minutenlang begeistert gefeiert wird, dürfte sie wohl selbst kaum erwartet haben. Und als ihr dann nachträglich zu ihrem 54. Geburtstag eine Torte überreicht wird und die Delegierten ihr ein Ständchen singen, hatte sie die Delegierten längst um den Finger gewickelt. Der Parteitag stand Kopf. Nicht Günther Beckstein oder Erwin Huber hießen die Gewinner. Gesiegt hatte die Kanzlerin. Mit einer Rede, die alle überrascht hatte.

Es war nicht der gewohnt staatstragende Auftritt, den Regierungschefs gewöhnlich pflegen. Auf diesem Parteitag sprach nicht die Kanzlerin. Es sprach die Parteivorsitzende. Klare Worte, mit lauter, fester und überzeugender Stimme gesprochen. Sie poltert gegen den sozialdemokratischen Koalitionspartner. In einer Manier, die wohl selbst CSU-Legende Franz Josef Strauß Sympathie abgerungen hätte. Und vermutlich wollte sie es auch so. Denn das war ganz nach dem Geschmack ihrer Zuhörer.

Die SPD biete ein Bild der Zerrissenheit, die Botschaft der Union müsse Maßhalten sein. Worte, die man in der CSU gern hört. "Bayern steht da, wo der Bund hin will", lobt sie die christsoziale Politik des Freistaats. Die Familienpolitik, die Schulen, die Finanzen und die Wirtschaft. Alles sei sehr vorbildlich hier. Balsam für die Seelen der mit schlechten Umfragewerten und einer gerade erst verlorenen Kommunalwahl geplagten CSU-Funktionäre.

51 Prozent würden die Partei nach der jüngsten Emnid-Erhebung derzeit wählen. Sollte das zutreffen, wäre man in der CSU zufrieden. Auch wenn dies Einbußen von rund zehn Prozent im Vergleich zur vergangenen Landtagswahl bedeuten würde. Man ist bescheiden geworden. "50 Prozent ist die Schallmauer", sagte ein CSU-Insider gegenüber der JF. Es sei eine Gratwanderung zwischen Hölle und Hosianna. Sollte das amtliche Endergebnis tatsächlich bei 50 plus X liegen, wäre alles in Ordnung. Unterhalb der 50er-Marke könne die Partei jedoch "nicht ohne weiteres zur Tagesordnung übergehen". Mit anderen Worten: Dann dürften die Tage von Erwin Huber als Parteichef gezählt sein. Und vielleicht auch die von Günther Beckstein. Denn sollte die absolute Mehrheit verlorengehen, könnte sich schnell eine Anti-CSU-Koalition aus SPD, Grünen, FDP und eventuell den Freien Wählern bilden. Letztere werden von den Demoskopen derzeit im Bereich der Fünf-Prozent-Hürde angesiedelt.

Ob die CSU das Ruder noch herumreißen kann, ist derzeit mit einem Fragezeichen zu versehen. Zu sehr wurden in den vergangenen Monaten die Konturen der Partei verwässert, zu viele Unstimmigkeiten hatte es in dem Tandem Huber/Beckstein gegeben. Zwar ist es beiden gelungen, auf dem Parteitag Geschlossenheit zu demonstrieren. Als Erwin Huber jedoch nach einer kämpferischen Rede des Ministerpräsidenten ein Schild mit der Aufschrift 55 plus X emporreckte, dürfte er sich deutlich verhoben haben. Auch seine Rede versprühte nicht das Feuer, das notwendig ist, um bei der Parteibasis eine Initialzündung für den Wahlkampf hervorzurufen. Entsprechend verhalten fiel der Beifall aus. Und um so größer zeigte sich der Kontrast zu einer gut aufgelegten Kanzlerin, die mit ihrer Rede Herz und Seele der CSU erreichen konnte.

Manchmal sind es organisatorische Kleinigkeiten, die deutlich machen, daß in der CSU-Führung derzeit nicht alles rund läuft. Etwa wenn CSU-Flaggen vor dem Messegelände erst hochgezogen werden, wenn der Parteitag fast schon vorbei ist. Oder wenn sich Gäste und Delegierte auf dem Weg zum Bayerischen Abend zunächst etwas ratlos vor verschlossenen Türen wiederfinden. "Das hätte es zu deiner Zeit nicht gegeben, Theo", ruft ein einflußreicher CSU-Funktionär dem ehemaligen Bundesfinanzminister Waigel zu. Auch die Einrichtung eines Shuttle-Busses war zunächst vergessen worden. Dessen Fahrer machte aus seiner Verärgerung auch keinen Hehl. Und ließ nach mehrmaligem Kopfschütteln seinem Frust freien Lauf: "Wenn der Strauß heut' seine CSU sehen würd', der würd' sich im Grab umdrehen."

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