© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/08 25. Juli / 01. August 2008

Appeasement gegen Islamisten
Großbritannien: Junge Muslime immer radikaler / Sozialpädagogik und Toleranzverpfl ichtung ohne Erfolg
Michael Paulwitz

Während der Oberste Richter für England und Wales dafür eintritt, zivilrechtliche Streitigkeiten auch nach den Scharia-Grundsätzen beizulegen und die britische Kinderschutzbehörde NCB Dreijährige für potentielle "Rassisten" hält, wenn die kein fremdartiges, scharf gewürztes Essen mögen (JF 29/08), konstatiert eine aktuelle Studie, daß Radikalisierung und Sympathie für Extremisten bei jungen Muslimen in Großbritannien weiter verbreitet sind als bislang angenommen.

Im Auftrag der Association of Chief Police Officers (ACPO), in der höhere Polizeioffiziere organisiert sind, befragte eine Arbeitsgruppe um Martin Innes vom Institut für Polizeiwissenschaften in Cardiff über 600 Muslime in London, Birmingham und Oldham - mit erschreckenden Ergebnissen: In Teilen der muslimischen Bevölkerung herrsche stillschweigende Sympathie für Gewalt und Terror. Vor allem bei der Jugend seien "Wut und Unzufriedenheit" weit verbreitet. Die Extremisten nutzten sowohl soziale Umstände als auch Ereignisse wie den Irak-Krieg, um junge Muslime aufzuhetzen. Fazit: Die Bedrohung durch "Dschihad-Terroristen" werde zunehmen, weil immer mehr der jungen Muslime "mit dem Leben in liberal-demokratisch-kapitalistischen Gesellschaften so unzufrieden" seien.

Als Indiz für das Ausmaß der Bedrohung zitierte der Daily Telegraph eine Umfrage des Instituts "Populus", in der 13 Prozent der befragten Muslime zwischen 16 und 24 Jahren bekannten, sie "bewunderten Organisationen wie Al-Qaida, die bereit seien, gegen den Westen zu kämpfen". Das deckt sich mit den Ergebnissen der 2007 veröffentlichten Studie "Muslime in Deutschland": 13,9 Prozent der muslimischen Bevölkerung lehnten demnach die Demokratie ab, bevorzugten das islamische Scharia-Recht und hielten politisch-religiös motivierte Gewalt für gerechtfertigt. Die britischen Sicherheitsbehörden überwachen derzeit etwa 2.000 Personen mit Terror-Kontakten, 200 Terrornetzwerke und 30 konkrete Anschlagsplanungen.

Zwar versucht die Cardiffer Studie mit der Feststellung, die Mehrheit der Muslime lehne Gewalt ja ab, Zuversicht zu verbreiten; doch die Masse der Muslime mißtraut der Polizei, zögert, die Behörden über extremistische Umtriebe zu informieren, und zieht es vor, die Dinge innerhalb ihrer ethnisch-religiösen Gemeinschaften zu regeln.

Das bedeutet nicht weniger als das Eingeständnis des Versagens der bisherigen Lösungsstrategie, die im zweiten Teil des Titels der Studie - "Hearts and Minds and Eyes and Ears: Reducing Radicalisation Risks Through Reassurance Orientated Policing" - festgehalten ist: Der "Abbau von Radikalisierung durch vertrauensorientierte Polizeiarbeit" funktioniert nicht. Keiner müßte das besser wissen als der Polizeiverband ACPO selbst, der 2004 eine Propagandaoffensive begonnen hat, um Großbritanniens Muslimen mit Broschüren, Moscheebesuchen und Veranstaltungen zu versichern, daß die Polizei alles tue, um gegen "Islamophobie" zu kämpfen.

Auch detaillierte Anleitungen, wie man sich über die Polizei beschweren könne, haben das Mißtrauen der Einwanderer gegen die Staatsmacht nicht abgebaut, ebensowenig wie die auf der Insel strikt eingehaltene Absprache, den ethnischen Hintergrund von Straftätern zu verschweigen. Auch die jüngste Initiative der Labour-Regierung zur Eindämmung des explosionsartigen Anstiegs von Messerstechereien und Schußwaffengebrauch spricht nur von "Jugendgewalt" und verschweigt die multikulturelle Dimension. Statt das Problem gezielt anzupacken, bedroht die Polizei in einigen Städten bereits sämtliche Jugendlichen mit kollektiver Ausgangssperre.

Auch ein nach den Terroranschlägen 2005 aufgelegtes, 79 Millionen Euro teures "Entradikalisierungsprogramm" vermochte den Sog in den Extremismus nicht umzukehren. Dennoch rät die Studie unverdrossen, die Polizei müsse sich noch intensiver bemühen, das Mißtrauen der Muslime abzubauen. Die Regierung hat bereits für 12,5 Millionen Pfund (knapp 16 Millionen Euro) ein weiteres lokales "Deradikalisierungsprogramm" angekündigt.

Foto: Britische Polizisten vor Islamisten-Kundgebung: Bereit sein, um gegen den Westen zu kämpfen

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