© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/08 25. Juli / 01. August 2008

Nachhaltige Affenvernichtung
Naturschutz: Im Namen der Biosprit-Gewinnung wird Raubbau am Regenwald und seinen Tieren verübt
Volker Kempf

Wir Menschen befinden uns nicht im "Urwald", sondern dort, "wo uns technische Apparatur und Organisation jederzeit erreichen kann", schrieb Friedrich Georg Jünger vor fast 70 Jahren in "Die Perfektion der Technik". Mittlerweile ist der Fortschritt auch in die letzten Winkel der Urwälder vorgedrungen - mit fatalen Konsequenzen. Denn damit wird der wahre Reichtum, die Artenvielfalt, zerstört.

Abgerungen wird der gerodeten und dann in Plantagen verwandelten Natur immer öfter Palmöl, um daraus sogenannten Biosprit zu erzeugen, der herkömmlichem Diesel problemlos beigemengt werden kann. Diese auf Vernichtung hinauslaufende Umwandlung von Urwald in Monokulturen geschieht mit der Etikette "Bio", weil hier im Unterschied zu den geplünderten Ölvorkommen immerhin etwas nachwächst.

Doch das Bio-Logo dient nur zur ideologischen Rechtfertigung. Da die Erdölpreise schwindelerregende Höhen erreichen, wird die Palmölgewinnung zu einem besonders lukrativen Geschäft. Daneben wird das Pflanzenöl aus der Ölpalme auch der Nahrungsmittelproduktion zugeführt. Der britisch-niederländische Unilever-Konzern ist drittgrößter Nahrungsmittelhersteller der Welt - und auf das immer knapper werdende Palmöl angewiesen, das auch im Kosmetikbereich eingesetzt wird.

Voriges Jahr wurden weltweit etwa 39 Millionen Tonnen Palmöl produziert. Pro Hektar und Jahr können bis zu sechs Tonnen gewonnen werden - bei Raps liegt der maximale Ertrag nur bei 2,5 Tonnen Öl. Die wichtigsten Anbauländer für Ölpalmen sind Malaysia und Indonesien, mit einem Anteil von 85 Prozent an der Weltproduktion. Neuerdings kommen Brasilien und Kolumbien als Erzeugerstaaten hinzu. Kleinere Mengen werden auch in Thailand, Papua-Neuguinea und an der Elfenbeinküste gewonnen. Letztere Region kann beispielhaft aufgegriffen werden, um einen Eindruck zu vermitteln, welche Folgen sich aus der Urwaldvernichtung für große Wildtiere ergeben.

An der östlichen Elfenbeinküste wird derzeit von Unilever die Trockenlegung und Rodung des 6.000 Hektar großen Tanoé-Waldes vorbereitet. Das Waldgebiet ist aber der Lebensraum einiger vom Aussterben bedrohter Affenarten. Dazu gehören der Geoffroy-Stummelaffe (Colobus vellerosus) sowie eine Unterart des Roten Stummelaffen (Piliocolobus badius waldronae). Auch eine zu den Primaten zählende Meerkatzen-Unterart, die Roloway-Meerkatze (Cercopithecus diana roloway) hat möglicherweise ihr letztes Rückzugsgebiet im Tanoé. Neben den Regenwaldabholzungen haben rücksichtslose Jagden die Kolobus-Affen und Roloway-Meerkatze innerhalb der letzten 30 Jahre an den Rand der Ausrottung gebracht. Extrem bedroht ist der Rote Stummelaffe, der vielleicht nur noch im Tanoé-Sumpfwald vorkommt. Solche radikalen Bestandsdezimierungen von biologisch dem Menschen sehr nahestehenden Tieren macht die Rücksichtslosigkeit der Vorgänge besonders deutlich und ruft dann auch den Protest von Naturschützern hervor.

Der Hamburger Verein "Rettet den Regenwald" beispielsweise ruft dazu auf, nicht wie geplant den Tanoé-Wald zu roden und hat diesbezüglich standardisierte Protestschreiben an die Unilever Deutschland-Zentrale in Hamburg vorbereitet, die Bürger im Internet (www.regenwald.org) abrufen und an die Geschäftsführung sowie den Aufsichtsrat schicken können.

Die Vernichtung ganzer Tierarten ist schon problematisch genug, aber auch der angeblich positive Klimaeffekt bleibt bei der Palmölgewinnung in ehemaligen Regenwäldern zweifelhaft. Denn wenn Sumpfwälder wie Tanoé trockengelegt und abgeholzt werden, werden große Mengen an Treibhausgasen wie Kohlendioxid freigesetzt und zugleich potentielle CO2-Speicher vernichtet. Laut Greenpeace verursachen Waldbrände und Abholzungen 20 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. Palmöl als Dieselersatzstoff einzusetzen sei daher ein "Irrweg", den die zivilisierte Welt verlassen sollte. Es sei kein Ausweg, wenn sich Unilever verpflichte, kein durch Abholzung erzeugtes Palmöl aus Indonesien zu verwenden, um dann in Afrika ähnliches fortzuführen.

Damit bricht die von Jünger aufgezeigte Problematik auf, daß der "brutalen Ausbeutung" der Erde das Machtstreben des Menschen zugrunde liegt, das nur in die Technik hineinverlegt wird und "kein Zurück" kennt. Der von Jünger deutlich gemachte Hunger nach mehr, der im gegenwärtigen Zeitalter im Gewand des rationalen Denkens auftritt, wird dabei in seiner Wirkung immer deutlicher. Denn in den letzten 70 Jahren wurde als die Schattenseite der Perfektion der Technik nicht nur die Regenwaldvernichtung für die Ölproduktion nun augenfällig, sondern sie ist nur die Ausweitung der Plünderungszüge des Menschen auf der Erde, wie sie in anderen Bereichen - etwa den Weltmeeren - längst weit fortgeschritten ist. In praktischer Konsequenz muß es um so dringender um eine Selbstbescheidung des Menschen gehen, sowohl seine Lebensansprüche als auch seine absolute Zahl auf Erden betreffend.

Daß freiwilliger Verzicht in einer Demokratie aber scheitern muß, befohlener Verzicht, also eine Ökodiktatur, hingegen weder wünschenswert noch zielführend sein kann, hatte schon Herbert Gruhl 1975 in "Ein Planet wird geplündert" deutlich gemacht. Jünger würde heute wohl, wie Gruhl 1992 in "Himmelfahrt ins Nichts", den "geplünderten Planeten vor dem Ende" sehen.

Foto: Roter Stummelaffe: Protestschreiben an die Unilever-Zentrale www.oeaw.ac.at

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