© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/08 25. Juli / 01. August 2008

DVD: Drama
Berlin 1931
Werner Olles

In den zwanziger und frühen dreißiger Jahren entstand eine Reihe dokumentarisch-realistischer und rein soziologischer Filme mit der Weltstadt Berlin als Schauplatz. Regisseure wie Karl Grune ("Straße", 1923), G.W. Pabst ("Die freudlose Gasse", 1925), Walter Ruttmann ("Berlin, Symphonie einer Großstadt", 1926) und Phil Jutzi ("Mutter Krausens Fahrt ins Glück", 1930) schilderten das Leben, wie es wirklich ist, ohne Fassade. Vor allem Jutzi war als Avantgardist und einer der führenden Regisseure des proletarisch engagierten Kinos zugleich ein feinsinniger Bildpoet, dem es gelang, seinen wichtigsten Filmen eine starke soziale Tendenz zu geben, ohne dabei jedoch in plumpe kommunistische Agitprop zu verfallen.

Typisch für Jutzis Filmkunst war sein 1931 gedrehtes Werk "Berlin - Alexanderplatz" nach Alfred Döblins Roman vom Berliner Zement- und Transportarbeiter Franz Biberkopf (Heinrich George). Aus dem Gefängnis entlassen, in dem er wegen Totschlags an seiner Braut vier Jahre einsaß, will er endlich ein ehrliches Leben führen. Biberkopf fürchtet sich vor der Rückkehr in die Einsamkeit der Großstadt, schlägt sich aber schließlich wie Tausende anderer Arbeitslose als Straßenverkäufer mehr schlecht als recht durchs Leben. Über seine neue Freundin Cilly (Maria Ward) gerät er jedoch alsbald in die Fänge des Bandenchefs Reinhold (Bernhard Minetti). Nach einem Einbruch werfen ihn die Verbrecher aus dem Auto, ein nachfolgender Wagen überfährt ihn, und er verliert seinen rechten Arm. Einmal auf der schiefen Bahn, nimmt das Schicksal seinen Lauf. Als Reinhold Franz' neue Liebe (Margarete Schlegel) ermordet wird, scheint er für immer verloren. Doch am Schluß sehen wir Biberkopf wieder als Straßenverkäufer vor dem Bauzaun am Alexanderplatz stehen, ziemlich ramponiert, aber bereit, dem Leben Paroli zu bieten.

"Berlin - Alexanderplatz" ist auch über siebzig Jahre nach seiner Entstehung eine faszinierende, äußerst bildstarke Vision der Stadt Berlin, deren Dämmerung von zweifelhaften Existenzen der Nachkriegszeit erfüllt ist. Jutzi zeigt Not und Elend, aber auch die Halb- und Unterwelt ohne Umschweife, fängt den Rhythmus der Großstadt ein und überträgt ihn auf den Film. Nahe an Döblins Roman, der gemeinsam mit Hans Wilhelm und Karl Heinz Martin auch das Drehbuch schrieb, wurde der Film zwar ein großer Publikumserfolg, die Kritik jedoch war gespalten. Während die kommunistische Presse Döblin und Jutzi "mangelndes Klassenbewußtsein" vorwarf und den "Kaschemmenjargon" kritisierte, zeigten sich Siegfried Kracauer in der Frankfurter Zeitung und Hermann Sinsheimer im Berliner Tageblatt enttäuscht über das Scheitern und die Unmöglichkeit der Adaption der Vorlage. Einhellig gelobt wurde allein Heinrich Georges bravouröse Leistung, wenngleich auch hier Stimmen laut wurden, daß in einigen Szenen der Star und nicht die Figur in den Vordergrund gerückt sei.

Das umfangreiche Bonusmaterial zur DVD umfaßt unter anderem eine Hörspiel-CD sowie die Heinrich-George-Dokumentation "Wenn sie mich nur spielen lassen".

DVD: "Berlin - Alexanderplatz". Arthaus, Leipzig 2008, Laufzeit ca. 84 Minuten; Hörspiel-CD, Laufzeit ca. 80 Minuten

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