© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/08 25. Juli / 01. August 2008

Die Einheit von Feder und Schwert
Erstmals auf DVD: Zwei Filme über und von Yukio Mishima künden von der zwiespältigen Faszination seines Lebens und Werkes
Martin Lichtmesz

Es war eine Szene, die kein Regisseur dramatischer hätte erfinden können. Nach Abschluß seines Magnum opus, der Roman-Tetralogie "Das Meer der Fruchtbarkeit", versammelte der weltberühmte japanische Schriftsteller Yukio Mishima vier Mitglieder seiner kleinen Privatarmee "Tatenokai" (Schild-Gesellschaft), um einen ungeheuerlichen symbolischen Akt zu vollziehen: Gekleidet in elegante, selbstentworfene Phantasieuniformen nahmen Mishima und seine Gefolgsleute am 25. November 1970 im Hauptquartier der japanischen Armee in Tokio einen General als Geisel.

Mishima forderte den Antritt der Belegschaft der Kaserne, um von einem Balkon aus eine Rede zu halten. Hubschrauberlärm, Beschimpfungen und Hohngelächter übertönten den ebenso flammenden wie donquichottesken Appell an die Soldaten, der Verwestlichung zu entsagen und zum Kriegergeist und den Werten des kaiserlichen Japan zurückzukehren. Mishima beendete seinen Auftritt mit einem dreifachen "Tenno Heika Banzai!", stieg in das Büro des Generals zurück und schlitzte sich nach dem klassischen Ritual des "Seppuku" ("Harakiri") den Bauch auf.

Yukio Mishima, am 14. Januar 1925 in Tokio geboren, hatte zwar den "Japanese Way of Death" dem "American Way of Life" vorgezogen, aber ausgerechnet ein Amerikaner setzte ihm ein filmisches Denkmal. Der Regisseur Paul Schrader, bekannt geworden für das Drehbuch zu Scorseses "Taxi Driver" (1975), drehte 1985 in japanischer Sprache sein Meisterwerk "Mishima - A Life in Four Chapters", das der New Yorker Verlag Criterion Collection nun in einer aufwendigen Edition mit zahlreichen Bonusbeigaben erstmalig auf DVD herausgebracht hat. Parallel dazu erscheint bei Criterion Mishimas eigener, selten gezeigter Kurzfilm "Yukoku - The Rite of Love and Death" aus dem Jahr 1966.

Jahrzehnte nach seinem Freitod geht von Leben und Werk Yukio Mishimas ungebrochen eine morbide, zwiespältige Faszination aus. Wie Gabriele D'Annunzio und Pierre Drieu La Rochelle war Mishima zugleich ein Mann der Rechten und eine Décadence-Figur par excellence. Und ebenso wie bei Drieu und D'Annunzio vermischten sich private Obsessionen und politische Optionen auf irrlichternde Weise. Mishimas Verfallenheit an die Schönheit und den Tod war eng verknüpft mit ausgeprägten sadomasochistischen und homosexuellen Neigungen. Seine politische Fixierung auf den Kaiser, den japanischen Imperialismus und die Armee hatte einerseits einen fetischistischen Hintergrund, andererseits entsprach sie seinem unbedingten apollinischen Willen zu Stil, Klarheit und Ordnung. Sein Todes- und Formbewußtsein schöpfte ebenso aus urjapanischen Traditionen, wie es westlich beeinflußt war. Der Narziß Mishima ließ sich etwa in der Pose des heiligen Sebastian fotografieren, eine Gestalt, die ihn von früher Kindheit an faszinierte. Mishimas Körper glich zu diesem Zeitpunkt dem eines Athleten. Der schwächliche Intellektuelle hatte sich mit eiserner Disziplin eine "griechische" Form antrainiert. Wie alles Vollkommene mußte auch dies zerstört werden. Für Mishima war nur im Akt des Todes die Vollendung zu finden. Die Einheit von Kunst und Leben, "Feder und Schwert", besiegelte er mit Blut.

Paul Schrader hat es meisterhaft verstanden, die schillernde und abgründige Welt Mishimas zum Leben zu erwecken. Die filmische Form steht in Komplexität dem Inhalt in nichts nach. In vier "Kapiteln" ("Kunst", "Schönheit", "Tat" und "Die Harmonie von Feder und Schwert") verknüpft Schrader drei Handlungsebenen, die sich gegenseitig kommentieren und ergänzen.

Die Rahmenhandlung schildert die Geschehnisse des 25. November 1970, während entscheidende Stationen in Mishimas Biographie in schwarzweißen Rückblenden erzählt werden, denen in jedem Kapitel theaterhaft stilisierte, farbige Szenen aus drei von Mishimas Romanen folgen, die allesamt mit dem Tod des Protagonisten enden. Als Mi-shima (Ken Ogata) sich schließlich zu der treibenden, triumphalen Musik von Phillip Glass den Dolch in den Bauch rammt, vereinigen sich die verschiedenen Ebenen des Films in einer sturzflutartigen Montage.

Streng in der Form, aber wesentlich schwerer verdaulich, ist auch Mi-shimas eigener, siebenundzwanzigminütiger Spielfilm "Yukoku" (deutsch: "Patriotismus") nach seiner gleichnamigen Novelle, die detailversessen den rituellen Selbstmord eines jungen Offiziers schildert, dem nach der Teilnahme an einem gescheiterten Putsch nur mehr der ehrenvolle Freitod übrigbleibt. Nach einem letzten Liebesakt folgt ihm seine Frau freiwillig in den Tod, ein Akt, den Mishima zum romantischen Liebestod stilisiert.

Folgerichtig begleitet die stumme, schwarzweiße Filmversion Musik aus Wagners "Tristan und Isolde". Die sparsame, bühnenhafte Künstlichkeit des Szenenbilds steht in herbem Kontrast zu dem blutigen Realismus, mit dem Mishima den qualvollen Todeskampf des Paares inszeniert, inklusive reichlich aus dem Bauch quillender Eingeweide. Mishima selbst spielt die Rolle des Offiziers, seinen eigenen Tod minutiös vorwegnehmend.

Jahrzehntelang war der Film nur in schlechten Raubkopien zugänglich, die meisten Kopien waren von Mishimas Witwe zerstört worden. 2005 wurden durch Zufall die Originalnegative wiederentdeckt, und nun kann "Yukoku", die einzige Regiearbeit des Autors, wieder in seiner ursprünglichen Form erlebt werden.

Mishima-Filme, Criterion Collection, New York

Foto: Yukio Mishima (1925-1970): Politisch auf den Kaiser fixiert

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