© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/08 08. August 2008

Zeitschriftenkritik: Eigentümlich frei
Die Schuld der Verhältnisse
Werner Olles

Die im 11. Jahrgang zehnmal pro Jahr erscheinende Zeitschrift eigentümlich frei berichtet in ihrer aktuellen Ausgabe als Schwerpunktthema über die dritte Konferenz der Property and Freedom Society  in Bodrum (Türkei). Bei diesen "antiintellektuellen Intellektuellen" handelt es sich um "radikale" Denker aus aller Welt, die auf Einladung des deutschstämmigen Professors Hans-Hermann Hoppe, eines der führenden Köpfe der Wiener Schule der Ökonomie, einen regen Gedankenaustausch pflegen. Hoppe steht in der Tradition des US-Libertarianism, einer staatskritischen Ideologie, die marktfreundlich inspiriert ist. Doch ist die Property and Freedom Society völlig unabhängig, beäugt das US-Regime und Konzerne kritisch und engagiert sich vor allem im Kampf gegen die "politische Korrektheit".

Unter anderem referierte Paul Gottfried über die Religiosität des westlichen Säkularismus, der vor allem im protestantischen Nordeuropa und in den USA entstanden ist. Er sei inzwischen jedoch auf den Katholizismus übergesprungen, wobei die frühere christliche Verpflichtung zur Nächstenliebe in einen Zwang umgewandelt wurde, und der Umfang des zu bekämpfenden menschlichen Verhaltens von den säkularen Intellektuellen ständig erweitert werde.

Der englische Psychiater Anthony Daniels, international bekannt als sprachmächtiger Essayist unter dem Pseudonym "Dalrymple", berichtete über seine Erfahrungen in einem britischen Krankenhaus und im Gefängnis. Ähnlich wie der deutsche Wohlfahrtsstaat habe auch der britische eine neue Unterschicht geschaffen, die es als vollkommen "normal" und "natürlich" empfinde, auf Kosten der Steuerzahler zu leben. Verblüffend seien dabei vor allem die fast gleichlautenden Biographien dieses aus mehreren Millionen Menschen bestehenden Prekariats. Da inzwischen bereits 42 Prozent aller Kinder in England unehelich geboren werden und der eigene Vater im Haushalt ein "Minderheitenphänomen" und damit heute "abnormal" sei, müsse man derartige kulturelle Erscheinungen als "Mainstream" bezeichnen. Als ein spezielles Merkmal dieser "Kultur der Unterschicht" sieht Daniels, daß allein mehr als eine Million Menschen in Großbritannien heute dauerhaft "krankgeschrieben" sind. Doch wisse jeder Klippschüler politisch korrekt zu urteilen, daß die Schuld daran allein "die Verhältnisse" trügen.

Sehr interessant ist auch ein Beitrag von Luis Pazos über das Schicksal des "Elefantenmenschen" Joseph Carey Merrick, der an einer bis heute nicht genau diagnostizierten Störung litt, die Haut, Gewebe und Knochen tumorartig sehr weit über das natürliche Maß wuchern ließ. Als wohl am ärgsten deformiertes lebensfähiges Exemplar der menschlichen Gattung avancierte er in Varietés zu einer passablen Berühmtheit, die ihm erlaubte, einigermaßen kommod zu leben, bis die Freak Shows aus humanitären Gründen in England verboten wurden. In Belgien geriet Merrick an einen betrügerischen Schausteller, der ihn schließlich hilf- und mittellos aussetzte. Zwar schaffte der "Elefantenmensch" es noch, nach London zurückzukehren, doch starb er im April 1890 mit 27 Jahren im Whitechapel Hospital durch Ersticken.

Anschrift: Lichtschlag Verlag. Malvenweg 24, 41516 Grevenbroich. Das Einzelheft kostet 8 Euro, ein Jahresabo 76 Euro. Internet: www.ef-magazin.de

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