© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/08 15. August 2008

Einwanderung verursacht verdeckte Kosten
Demographie: Tatsächliche Staatsverschuldung steigt durch Zuwanderung um eine Billion Euro / Studie der Stiftung Marktwirtschaft zur Generationenbilanz
Michael Paulwitz

Vielleicht läßt sich die Politik ja doch mal von den Zahlen überzeugen. Weil Ausländer in Deutschland im Schnitt schlechter qualifiziert sind als Einheimische, zahlen sie deutlich weniger an Steuern und Abgaben, als sie an staatlichen Leistungen erhalten. Das vergrößert die "Nachhaltigkeitslücke", also die tatsächliche Staatsverschuldung unter Einbeziehung der langfristigen Zahlungsverpflichtungen, um rund eine Billion Euro. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle "Generationenbilanz" der Stiftung Marktwirtschaft.

Offiziell beträgt die gesamte Schuldenlast von Bund, Ländern und Gemeinden knapp 1,5 Billionen Euro oder rund 62 Prozent des jährlichen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Rechnet man zu dieser "expliziten Schuld" die implizite Staatsschuld hinzu, die sich aus der Differenz zwischen den für die Zukunft eingegangenen Verpflichtungen wie Ansprüchen an die Sozialsysteme oder Pensionslasten und den zu erwartenden Beiträgen und Einnahmen ergibt, kommt man auf 167 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung.

Rund vier Billionen Euro müßte der Staat für die Zukunft zurücklegen, wenn er wie ein "ehrbarer Kaufmann" wirtschaftete, rechnete Bernd Raffelhäschen, Vorstandsmitglied der Stiftung Marktwirtschaft, bei der Präsentation der aktualisierten Generationenbilanz vor. Gegenüber dem Vorjahr sei die Lücke infolge des Aufschwungs zwar geschrumpft, zur Entwarnung gebe es aber keinen Anlaß, da die Politik die Chance zu nachhaltigen Reformen in konjunkturell günstigem Umfeld verpaßt habe. Noch dramatischer sehen die Zahlen aus, wenn die Unterschiede zwischen Deutschen und Ausländern mit eingerechnet werden. Die Folgen der Zuwanderung, so wie sie derzeit stattfindet, vergrößern die Nachhaltigkeitslücke um eine Billion Euro auf 5,2 Billionen oder 225 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Dem liegt noch die optimistische Annahme zugrunde, daß Einwanderer in der zweiten Generation in etwa den Qualifikationsdurchschnitt der angestammten Bevölkerung erreichen.

In Deutschland ist bei vielen Einwanderergruppen bekanntlich das Gegenteil der Fall - die zweite Generation ist oft schlechter integriert und qualifiziert als die erste. Das führt zu einem weiteren Auseinanderklaffen der Nachhaltigkeitslücke, die bei Nicht-Integration der zweiten Generation sogar auf fast 275 Prozent des BIP steigt.

Die Einbeziehung der Unterschiede zwischen Deutschen und Einwanderern ist ein Novum in der Generationenbilanz, einer Anfang der neunziger Jahre in den Vereinigten Staaten entwickelten Methode zur langfristigen Analyse der Fiskal- und Sozialpolitik, die bereits seit mehreren Jahren von der Stiftung Marktwirtschaft - Frankfurter Institut auf Deutschland angewandt wird. "Langfristig hat die Integration der zweiten Zuwanderergeneration einen entscheidenden Einfluß auf die Nachhaltigkeitsbilanz der Zuwanderung", folgert Raffelhüschen aus den von ihm präsentierten Zahlen. Auch die erste Zuwanderergeneration erbringe zwar im Basisjahr einen positiven Zahlungsbeitrag, über den Lebenszyklus betrachtet sei dieser allerdings negativ. Seine Forderung: "Eine Intensivierung der Integrationsanstrengungen und Förderung der Zuwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte sind dringend anzuraten."

Die Zahlen der Stiftung Marktwirtschaft können durchaus als endgültige Widerlegung des Märchens von der Lösung der demographischen Probleme für Arbeitsmarkt und Sozialkassen durch Einwanderung gelten. Mit einer Einschränkung: "Nachhaltigkeitsgewinne im Sinne einer Verringerung der Nachhaltigkeitslücke können nur durch eine selektive Zuwanderung (hoch-)qualifizierter Arbeitskräfte erzielt werden." Hätten künftige Einwanderer das gleiche Qualifikationsniveau wie die Deutschen, würde die Nachhaltigkeitslücke von 225 auf 158 Prozent des BIP schrumpfen. Ganz ohne Einwanderung läge die Lücke immer noch bei 195 Prozent.

Das jüngste "Aktionsprogramm" der Bundesregierung zur Anwerbung ausländischer Akademiker ist als Antwort auf die Zahlen der Generationenbilanz freilich denkbar ungeeignet. Die Betonung liegt bei Raffelhüschen nämlich eindeutig auf "selektiv". In echten Einwanderungsländern, so eine griffige Definition, ist Immigration etwas, was nicht einfach passiert und duldend hingenommen wird; Einwanderung wird vielmehr gezielt angestrebt und konsequent an den ökonomischen und politischen Interessen des Landes und seiner Volkswirtschaft ausgerichtet.

Es geht also darum, in der so prägnanten wie folgenlosen Formulierung eines bayerischen Politikers, "mehr Einwanderer, die uns nützen, und weniger, die uns ausnützen" zu gewinnen. Davon ist Deutschland trotz erster zaghafter Korrektur-, Begrenzungs- und Steuerungsversuche noch sehr weit entfernt.

Weitere Informationen zum Thema im Internet unter www.stiftung-marktwirtschaft.de

Foto: Ausländer in Deutschland: Die zweite Generation ist oft schlecht qualifiziert

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen