© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/08 05. September 2008

Ein Offizier auf Abwegen
Bundeswehr: Der Oberstleutnant Jürgen Rose greift in Zeitungsartikeln immer wieder die politische und militärische Führung an
Felix Krautkrämer

Es kommt nicht häufig vor, daß ein aktiver Oberstleutnant der Bundeswehr einen Bundestagsabgeordneten als Denunzianten bezeichnet und fordert, Generäle und Minister ins Gefängnis zu stecken, aber in der Welt des Jürgen Rose ist vieles nicht alltäglich. Es gibt allerdings eine Konstante: Schuld sind immer die anderen.

Als Rose 1977 seinen Grundwehrdienst ableistete und anschließend die Offizierslaufbahn einschlug, war die Welt aus seiner Sicht noch in Ordnung. Schließlich war die Bundeswehr eine reine Verteidigungsarmee und Auslandseinsätze für die Truppe noch ein Fremdwort. Heute ist alles anders. Zunehmend muß die Bundeswehr internationale Verantwortung übernehmen, was nicht nur bei Rose auf Kritik stößt. Der fünfzigjährige Oberstleutnant beließ es allerdings nicht bei der Kritik, sondern weigerte sich im März 2007, den Tornadoeinsatz in Afghanistan zu unterstützen. Rose, der für die Logistik der Bundeswehr bei Auslandeinsätzen zuständig war, hält das Unterfangen für völkerrechtswidrig. Die Bundesregierung unterstütze den amerikanischen "Kreuzzug" gegen den Terrorismus, und der verfüge über kein Mandat der Vereinten Nationen. Dies führte dazu, daß Rose nun für die Sauberkeit in den Liegenschaften der Bundeswehr verantwortlich ist.

Die Versetzung ist aber nur ein Glied einer langen Kette von Differenzen, die Rose immer wieder mit seinen Vorgesetzten ausficht. Schon 1997 handelte sich der Offizier Ärger ein, als er sich in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vehement gegen die Wehrpflicht aussprach, ohne aber erkennen zu lassen, daß es sich dabei nur um seine persönliche Auffassung handelte.

Zudem begann Rose auch für das linksradikale Blatt Ossietzky zu schreiben, zu dessen Herausgebern die Bundestagsabgeordnete der Linkspartei Ulla Jelpke gehört. Immer wieder wird in der Zeitschrift DDR-Unrecht relativiert. Vom "westlichen Terror gegen die DDR" ist dort zu lesen. Oder daß es im Westen schlimmere Zuchthäuser gegeben habe als das Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen. Ein Artikel Roses vom Mai 2006 brachte dem Oberstleutnant schließlich eine Disziplinarstrafe von 750 Euro ein, da er darin gegen die im Soldatengesetz vorgeschriebene Pflicht zur Zurückhaltung verstieß. Er hatte der Bundeswehrführung Opportunismus, Feigheit und Skrupellosigkeit unterstellt.

Für Ossietzky schreibt er trotzdem weiterhin. Etwa über das "Dummdeutsch der politischen Klasse" und daß Generäle und Minister als "Handlanger des angloamerikanischen Völkerrechtsverbrechen gegen den Irak" ins Gefängnis gehörten. Gegenüber der JUNGEN FREIHEIT sieht er dies als sein gutes Recht an. "Ich bin doch kein Mensch zweiter Klasse." Auch bei der Bundeswehr habe mal Perestroika und Glasnost geherrscht. Dies sei heute aber leider vorbei. Die Führung gebe statt dessen die Order aus: "Maulhalten und gehorchen". Den Dienst quittieren will Rose trotzdem nicht. "Damit würde man denen das Feld nur kampflos überlassen."

Seine renitente Haltung brachte dem Oberstleutnant erst kürzlich eine weitere Disziplinarbuße ein, diesmal in Höhe von 3.000 Euro. In einem Interview hatte er dem Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Hans-Otto Budde, vorgeworfen, einen "wehrmachtsinspirierten Kämpferkult" zu predigen und "Latrinenparolen" auszugeben. Da müsse man sich nicht wundern, wenn "Kloaken" wie die Kommando Spezialkräfte (KSK) entstünden. Hintergrund war ein Brief eines KSK-Hauptmanns an Rose, in dem dieser ihn als Feind im Innern bezeichnete hatte. Der Hauptmann hatte sich vor allem an Roses Tätigkeit für das Darmstädter Signal gestört, einem Arbeitskreis zumeist linker Soldaten. Seit November 2006 sitzt Rose im Vorstand der Vereinigung, die sich unter anderem "mehr Demokratie für mündige Soldaten" und "Maßnahmen gegen Rechtsradikalismus in der Bundeswehr" wünscht.

Rose wittert hinter seiner jüngsten Disziplinarstrafe allerdings höhere Kräfte. Genauer gesagt, den FDP-Bundestagsabgeordneten Rainer Stinner. Dieser sei ein "Denunziant", da er das Verteidigungsministerium aufgefordert habe, ihn wegen seiner Äußerungen dienstrechtlich zu maßregeln. Für Stinner stellt sich der Fall anders da. Gegenüber der JF sagte der Abgeordnete, es kümmere ihn herzlich wenig, für was Rose ihn halte. Er wolle Roses Äußerungen auch gar nicht bewerten. Allerdings habe der Offizier eine Rundmail an alle Bundestagsabgeordneten verschickt, in der er der Bundeswehr "einseitige proisraelische Kriegspropaganda gegen den Iran" vorwarf. Nur hatte Rose laut Stinner die E-Post nicht von seiner privaten, sondern von seiner Dienstadresse aus gesendet. "Deshalb habe ich sie an das Verteidigungsministerium weitergeleitet. Mehr nicht", sagte der FDP-Politiker.

Im Ministerium verfolgt man Roses publizistische Tätigkeit sehr genau, teilte ein Sprecher der JF mit. Zu konkreten disziplinarischen Erwägungen wolle man sich allerdings aus "persönlichkeits- und datenschutzrechtlichen Gründen" nicht äußern.

Foto: Internetseiten der Zeitschrift "Ossietzky" und des Darmstädter Signals: Disziplinarverfahren

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