© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/08 12. September 2008

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Werbefreiheit
Karl Heinzen

Am 1. Januar 2009 blickt Deutschland auf ein Vierteljahrhundert Privatfernsehen zurück, und kaum noch erinnerlich sind die tristen Zeiten, in denen gerade einmal drei Programme zur Auswahl standen, um den Abend nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten. Heute bereichert eine einst nur aus den USA bekannte Sendervielfalt unser aller kulturelles Leben - und erfüllt zudem eine wichtige sozialpolitische Funktion: Einer wachsenden Zahl von Menschen ist es aufgrund finanzieller Beschränkungen nicht vergönnt, persönlich etwas zu unternehmen, um den eigenen Horizont zu erweitern. Ein mannigfaltiges Angebot an TV-Programmen bietet ihnen jedoch die Chance, gleichwohl Anschluß an die Gesellschaft zu wahren und an der Betriebsamkeit einer globalisierten Welt daheim am Bildschirm Anteil nehmen.

Doch auch 25 Jahre nach dem Startschuß für die privaten Anbieter ist in unserer Fernsehlandschaft längst nicht alles zum Guten bestellt. Unverändert üben die staatlich privilegierten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eine starke Dominanz aus. Nicht allein, daß sie die Zuschauer durch gesalzene Zwangsgebühren zur Kasse bitten: Sie bereichern sich überdies durch Werbeeinkünfte und entziehen damit der privaten Konkurrenz Ressourcen, die diese zur Finanzierung eines anspruchsvollen Programms bitter benötigt.

Gegen dieses Relikt aus den Urzeiten des Schwarzweißfernsehens zieht nun der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger zu Felde. Er will ARD und ZDF ein striktes Werbeverbot auferlegen und auch das Schlupfloch Sponsoring schließen, mit dem bislang die Auflage umgangen wurde, nach 20 Uhr keine Reklame auszustrahlen.

Sollte sich Oettinger durchsetzen, wäre allen gedient: Die öffentlich-rechtlichen Sender könnten sich auf ihre Kernkompetenz elitärer Formate konzentrieren und hätten eine Legitimation, endlich aus Kostengründen von seichter Unterhaltung abzulassen. Die Zuschauer dürften mehr werbefreie Sendungen genießen und die privaten TV-Anbieter auf ein klein wenig steigende Werbeeinnahmen hoffen.

Vor allem aber wäre es der werbetreibenden Wirtschaft möglich, eine lange ersehnte Kostenersparnis zu erzielen. Die meisten Unternehmen, die Fernsehspots schalten, wissen schließlich ganz genau, daß sie sich davon keine Umsatzsteigerung erwarten dürfen. Sie engagieren sich nur, weil die Mitbewerber dies auch tun und sie fürchten, gegenüber diesen ins Hintertreffen zu geraten. Jedes allen auferlegte Werbeverbot hilft ihnen, diesem Teufelskreis zu entkommen.

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