© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/08 12. September 2008

Frisch gepresst

Wehlers Fünfte. Geplant war es ursprünglich nicht, daß Hans-Ulrich Wehlers "Deutsche Gesellschaftsgeschichte" bis an den Rand der Gegenwart führt. Aber dann erbarmte sich der Bielefelder Leistungsfanatiker und fügte als Band V seinem Lebenswerk noch die Geschichte der "Bundesrepublik und DDR 1949-1990" an (C.H. Beck Verlag, München 2008, gebunden, 529 Seiten, 34,90 Euro). Für vierzig Jahre Bonner Satrapie und Pankower "Sultanat" kamen, ohne Anmerkungen, 400 Seiten zusammen - gemessen an den 1.000 Seiten des von 1914 bis 1949 reichenden vierten Bandes (JF 48/03) fast schon Kurzprosa. Die Geschichte zweier Staatsgebilde, die nunmehr lediglich noch Objekte der Weltpolitik waren, hat den Emeritus doch sichtlich gelangweilt. So ist es nicht nur bei der bewährten Methode des aktenscheuen, nur der "Jagd nach Fernleihen und Fotokopien" (Vorwort) frönenden Sozialhistorikers geblieben, Sekundär- zu Tertiärliteratur zu verarbeiten, sondern diesmal ist es ihm gelungen, die "Strukturen" vollständig aus dem Meer der Statistiken zu fischen. Geistesgeschichtlich schiebt Wehler seine eigene Zunft mit der "Vergangenheitsbewältigung", der "Fischer-Kontroverse" und dem "Historikerstreit" wohl zu sehr in den Mittelpunkt Bonner "Diskurse" und nutzt natürlich die Chance zum Nachtreten gegen Ernst Nolte, dem die "etablierte Politische Kultur der Bundesrepublik" sowenig wie Michel Foucault habe durchgehen lassen, die "genuin deutschen Antriebskräfte" des Nationalsozialismus und der Judenvernichtung zu relativieren.

 

Bulgarien. Während des Zweiten Weltkrieges kämpfte der kleine Balkanstaat auf seiten der "Achse", was wohl hauptsächlich darauf zu gründen ist, daß die Diktatoren in Berlin und Rom ganz passable Feinde seiner Feinde abgaben und Deutschland ohnehin als revisionistischer Mitstreiter gegen die Pariser Vorortverträge (im Falle Bulgariens in Neuilly-sur-Seine) Sympathien besaß. Kampfzone sollte Bulgarien dennoch nur sehr kurz werden. 1941 bezog die Wehrmacht Aufmarschstellungen gegen Jugoslawien und gegen Griechenland, wo die sich an der griechischen Metaxaslinie die Schädel einrennenden bulgarischen Truppen im Kampf um das 1919 verlorene Thrakien Nutznießer der deutschen Blitzkriegtaktik wurden. Bildmaterial ist aus dieser Zeit kaum vorhanden. Der bulgarische Historiker Ivo Jeinov hat nun in seinem Buch "Der Einzug der Wehrmacht nach Russe 1941" (Abagar Publishing House, Russe 2007, broschiert, 201 Seiten, nähere Information: abagar@dir.bg) sehr viel bisher unbekanntes Bildmaterial präsentiert, das die deutsche Truppenpräsenz in der bulgarischen Grenzstadt an der Donau darstellt. Für das umfangreiche Nachwort ist allerdings die Kenntnis des Bulgarischen vonnöten.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen