© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/08 26. September 2008

Die Not ist groß
Bayern: Vor der Landtagswahl am Sonntag zittert die CSU um die Alleinherrschaft / Kehrt Theo Waigel auf die politische Bühne zurück?
Paul Rosen

Nein, eine Koalitionsregierung komme für ihn nicht in Frage, sagt Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein. Und gibt damit bereits indirekt die Antwort, was er machen wird, wenn die CSU bei der bayerischen Landtagswahl am 28. September nicht wieder die absolute Mehrheit der Sitze im Maximilianeum erreichen wird: zurücktreten. Erwin Huber, der andere Teil des Tandems, das im vergangenen Jahr Edmund Stoiber stürzte, wird mit Sicherheit seinen Posten als Parteichef räumen, wenn die CSU unter 50 Prozent der Stimmen fällt. Sein Rücktritt gilt damit als genauso sicher wie der Name seines Nachfolgers: Horst Seehofer.

Bayern und die CSU, einst ein Synonym und Insel politischer Stabilität in Deutschland, sind unversehens in ein politisches Unwetter geraten. Wie Blitze zeigen sich neue politische Kräfte: Die Freien Wähler mit ihrer Galionsfigur Gabriele Pauli kommen sehr wahrscheinlich in den Landtag, die von der früheren Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger dominierte FDP nach 14 Jahren Pause vermutlich auch wieder. Auch die Linkspartei, die von allen Instituten mit vier Prozent gehandelt wird, wähnt sich bereits im Landtag, weil viele ihrer Wähler den Demoskopen angeblich nicht die Wahrheit sagen.

SPD und Grüne können von der Entwicklung nicht profitieren. Sie liegen bei 20 beziehungsweise knapp unter zehn Prozent. Es ist die CSU, die ihre Bindungskraft in der bürgerlichen bayerischen Gesellschaft eingebüßt und Wähleranteile an kleine bürgerliche Konkurrenten abzugeben hat.

Das Tandem Huber/Beckstein ist offenbar nie bei den bayerischen Wählern angekommen und hat auch in Berlin weder bei der Schwesterpartei CDU noch beim Koalitionspartner SPD einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Hubers Wahlkampfschlager, die Wiedereinführung der vollen Pendlerpauschale, war vom ersten Tag an unglaubwürdig, weil die CSU die Kürzung mitbeschlossen hatte.

Beckstein tat ein übriges, um erfolgreich Wähler abzuschrecken. Erst sinnierte er, Anständige könnten nur CSU wählen. Dann unternahm er einen Ausflug in die Welt der Volksfeste und empfahl Autofahren auch nach zwei großen Krügen Bier. Daß seine Frau zum Münchner Oktoberfest kein Dirndl anziehen wollte, dürfte der CSU bei bayerischen Traditionswählern nachhaltig geschadet haben. Mit dem strengsten Rauchverbot aller Bundesländer schlug die CSU ihre eigenen Fundamente weg: Sie ruinierte den Stammtisch, über den Franz Josef Strauß, Theo Waigel und Stoiber stets die Lufthoheit hatten.

Der von Stoiber zuletzt noch in einem Freisinger Bierzelt vor 4.000 Zuhörern beschworene "Mythos CSU", die Verankerung dieser Partei in allen Schichten und die Durchdringung aller gesellschaftlichen Bereiche bis hin zu Kunst und Kultur, ist Geschichte. Die CSU verliert ihre einzigartige Stellung in der deutschen Parteienlandschaft und schrumpft auf CDU-Größe. Es dürfte dann nur noch eine Frage der Zeit bis zur Fusion mit der CDU sein. Denn wie will die CSU bei der Europawahl 2009 noch fünf Prozent (bundesweit) holen, um die Sperrklausel zu überwinden?

Das nicht verlockende Erbe als CSU-Vorsitzender wird aller Voraussicht nach Horst Seehofer antreten. Der Ingolstädter legte die Meßlatte für Huber mit "52,x" Prozent unerreichbar hoch. Seehofer, der wie Huber und Beckstein zur Generation Stoiber gehört, steht auch nicht für Erneuerung und ist durch eine Affäre beschädigt. Aber als Landwirtschaftsminister hat er die drei Jahre in Berlin ganz gut durchgehalten. Freilich gilt immer noch, was schon vor seiner Niederlage gegen Huber vor einem Jahr gesagt wurde: Seehofer ist Einzelgänger, kein Teamspieler, manchmal tagelang selbst für enge Vertraute nicht zu sprechen. So kann man keine Politik gestalten und wohl kaum die CSU retten.

Eine ganz andere Frage ist, wer Ministerpräsident einer Koalitionsregierung (vermutlich mit der FDP) werden könnte. Bundesratsminister Markus Söder gilt als zu jung, so daß sich selbst Veteranen wieder ins Spiel bringen. Wie ein Kyff­häusergeist wirkt in diesem Zusammenhang der Name Waigel. Die Not ist groß.

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