© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/08 10. Oktober 2008

Grüne ärgern sich schwarz
Hamburg: Die Genehmigung des Kohlekraftwerkes Moorburg bedeutet eine empfindliche Niederlage für den Koalitionspartner der CDU
Torsten Uhrhammer

In Treue fest steht die schwarz-grüne Koalition im Hamburger Rathaus. Daran ändert auch nichts, daß die grüne Umweltsenatorin Anja Hajduk nun den Bau des Kohlekraftwerkes im Hamburger Industriegebiet Moorburg genehmigen mußte. Für die Grün-Alternative Liste (GAL) war Moorburg eines der zentralen Wahlkampfthemen.

"Keine Kohle für Ole", hatte die GAL noch im Wahlkampf Anfang 2008 plakatiert und sich dabei gewaltig aus dem Fenster gelehnt, denn währenddessen wurde in Moorburg schon kräftig gebaut. Daß alles auf Schwarz-Grün hinauslaufen werde, war ebenfalls schon absehbar. Trotzdem hatte die damalige GAL- Fraktionsvorsitzende und heutige Zweite Bürgermeisterin Christa Goetsch zugesichert: "Wir legen uns fest. Mit uns wird keine Erlaubnis für das Kraftwerk erteilt werden." Der Geschäftsführer der GAL Hamburg-Nord, Karsten Vollrath, bezeichnete das im nachhinein als "nicht geschickt".

Deutlich geschickter hingegen und von juristischem Herrschaftswissen geprägt hatte Hamburgs Erster Bürgermeister Ole von Beust (CDU) in den schwarz-grünen Koalitionsvertrag schreiben lassen, daß eine Entscheidung über das Kohlekraftwerk einzig nach Recht und Gesetz entschieden werde. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, doch war damit der grünen Senatorin der Boden für politische Sperenzchen weitgehend entzogen. Die GAL war jedoch naiv und ideologisch verblendet genug, in juristischen Auseinandersetzungen eine Chance für das Aus des Kohlekraftwerkes zu sehen. Heute sagt die grüne Bundestagsabgeordnete Krista Sager: "Wir haben die Risiken der Rechtslage falsch eingeschätzt", und die GAL-Vorsitzende Katharina Fegebank meint: "Da gibt es nichts schönzureden, das ist für uns alle eine krachende Niederlage. Wir haben bis zuletzt gegen das inakzeptable Klimamonster in Moorburg gekämpft und verloren."

Gekämpft hatte Hajduk tatsächlich, so versuchte sie dem Betreiber, dem schwedischen Stromkonzern Vattenfall, immer neue genehmigungsrechtliche Steine in den Weg zu legen, scheitere damit jedoch vor dem Hamburger Oberlandesgericht. Doch hat Hajduk den Kampf noch nicht ganz aufgegeben. Auch die von ihr auf Druck der Rechtslage nunmehr erteilte Genehmigung für das Kraftwerk ist mit grünem Folterwerkzeug gespickt. Das dürfte ihr zwar bei der innerparteilichen Durchsetzung helfen, fordert jedoch Vattenfall erneut zu gerichtlichen Schritten heraus. So soll das Werk an 250 Tagen im Jahr nur mit gedrosselter Leistung fahren. Im Jahresdurchschnitt bedeutete dies einen Betrieb mit höchstens Zwei-Drittel-Leistung. An manchen Tagen soll das Werk sogar ganz abgeschaltet werden, verkündete Hajduk mit listigem Lächeln. Begründet werden die Auflagen mit wasserrechtlichen Überlegungen, bei denen es um die Menge des Kühlwassers geht, welches aus der Elbe entnommen werden darf.

Eine Steilvorlage, die außerparlamentarische Kohlekraftwerkgegner sofort nutzten. Vattenfall solle nun die Wirtschaftlichkeit der künftigen Anlage nachweisen, fordert der Landeschef der Umweltschutzorganisation BUND, Manfred Braasch, der gleich eine Klage gegen die Genehmigung ankündigt.

Auch Hajduks Ankündigung, eigene Stadtwerke, vor allem für Öko-Strom, zu gründen und die Energieversorgung so wieder zu verstaatlichen, kann und soll bewußt auch als Zeichen der Antipathie gegen Vattenfall gewertet werden. Zudem soll die für 2014 kündbare Konzession für die Fernwärmeversorgung der Stadt (die derzeit bei Vattenfall liegt) europaweit ausgeschrieben werden. Das Energieunternehmen plant nun einerseits gerichtliche Schritte gegen die mit der Genehmigung verbundenen Auflagen und macht sich andererseits Gedanken über eine Umgehung der wasserrechtlichen Einschränkungen. Dabei denkt Vattenfall an den Bau von Kühltürmen.

Die CDU hält sich derweil betont zurück. Den grünen Koalitionspartner will man in der für ihn schwierigen Situation nicht noch zusätzlich provozieren. Zwar freuen sich hinter vorgehaltener Hand einige in der CDU "diebisch" über den "Bauchklatscher" der Grünen, doch genannt werden will dabei keiner. Zu wichtig ist das schwarz-grüne Projekt in Hamburg mit Blick auf die nächsten Bundestagswahlen.

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