© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/08 17. Oktober 2008

Jörg Haider
James Dean der Euro-Rechten
Dieter Stein

Die Nachricht schockte auch diejenigen, die ihm nicht nahestanden: Am vergangenen Samstag um 1.15 Uhr kam Jörg Haider auf dem Heimweg bei einem schweren Verkehrsunfall mit seinem Auto ums Leben. Der Landeshauptmann (Ministerpräsident) und Chef des von der FPÖ abgespaltenen BZÖ (Bündnis Zukunft Österreich) hatte den Höhepunkt seiner Popularitätskurve unter seinen Landeskindern erreicht. Auguren sagten ihm für die im Februar 2009 anstehenden Landtagswahlen eine sichere absolute Mehrheit voraus. Gerade erst hatte er im Sturmlauf seinem bislang faktisch auf Kärnten beschränkten Wahlbündnis BZÖ als "Liste Jörg Haider" mit 10,7 Prozent ein beeindruckendes Ergebnis beschert. Gemeinsam mit der FPÖ, die sich nach der Trennung von Haider 2005 unter dem neuen Vorsitzenden Heinz-Christian Strache sensationell regeneriert hat und 17,5 Prozent erreichte, entstand ein freiheitlicher 28-Prozent-Block, der beinahe SPÖ und ÖVP auf die Ränge verwiesen hätte.

Und nun dieser tragische Tod. Es ist jedoch ein Abgang, wie er zu seinem rasanten Leben paßte. Haider lebte auf der Überholspur, fuhr Vollgas, liebte Extremsportarten. Er fuhr gern schnelle Autos. Knapp zwei Kilometer vom jetzigen Unfallort kam Haider im August 1993 schon einmal mit dem Auto von der Fahrbahn ab und entstieg dem an einem Telegrafenmasten zertrümmerten Wagen wie durch ein Wunder nur leicht verletzt.

Er war der James Dean unter Europas Politikern. Man konnte ihn sich schwer als grauhaarigen Mann auf dem Altenteil vorstellen. Er war eine schillernde Persönlichkeit, vielleicht der talentierteste "Nationalpopulist", den die europäische Rechte hervorgebracht hat. Doch beschreiben ihn enge Weggefährten auch als unter manisch-depressiven Schüben leidenden, einsamen Menschen, der von Euphorie in tiefe Resignation verfallen konnte. Damit werden auch seine teilweise sprunghaften Winkelzüge verbunden, seine wiederholten verbitterten Rückzüge und strahlenden Comebacks. Er war kein Mannschaftsspieler, sondern ein Egomane. Haider hatte einst nicht nur auf ganz Österreich, sondern auch auf Deutschland und Europa einwirken wollen. Sein Bruch mit der FPÖ war auch das Ende dieser Option.

Wer in diesen Tagen gerade mit einfachen Kärntnern spricht, spürt ein Echo dieses politischen Ausnahmetalents, das wie kein anderer polarisiert hatte. Als es im Zuge der Bildung einer schwarz-blauen Regierungskoalition auf Bundesebene im Jahr 2000 wegen Jörg Haider zu absurden internationalen Protesten und Sanktionen von seiten der übrigen EU-Staaten kam, Haider als "Rechtsextremist" gebrandmarkt und zur Inkarnation eines neuen Hitler stilisiert wurde, da liebten ihn zu Hause seine Kärntner als rührigen Landesvater. Selbst diejenigen, die ihn nie gewählt haben, stehen jetzt Schlange und tragen sich in die zahlreichen öffentlich ausgelegten Kondolenzbücher ein. 50.000 Menschen werden am Samstag zur Trauerfeier in Klagenfurt erwartet. Im Tod wie im Leben: Jörg Haider raubte den Menschen den Atem.

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