© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/08 17. Oktober 2008

Bundesregierung denkt nicht an Rückzug
Bundeswehr: Trotz mangelnder Erfolge halten die Parteien am Afghanistan-Einsatz fest / Bundestag entscheidet über Verlängerung
Paul Rosen

Im siebten Jahr stehen jetzt deutsche Truppen in Afghanistan. Und der Einsatz am Hindukusch wird noch länger dauern. Der Bundestag verlängerte die ISAF-Mission jetzt um weitere 14 Monate. Es werden außerdem 1.000 Soldaten mehr als bisher nach Afghanistan geschickt. Damit hat die Bundeswehr künftig 4.500 Mann am Hindukusch stehen.

Die Hilfen haben bisher zu wenig Wirkung gezeigt, um Afghanistan zu einem demokratischen Rechtsstaat zu machen, der wirtschaftlich und militärisch auf eigenen Beinen stehen kann. "Weder die internationale Staatengemeinschaft noch die afghanische Regierung haben die Korruption oder den Anbau von Schlafmohn bisher wirklich in den Griff bekommen. Im Süden und Osten verunsichern nach wie vor - oder im Augenblick noch mehr - Terroristen die Bevölkerung, weil die Grenzen zu Pakistan ungesichert sind", so Außenminister und SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier in der ersten Bundestagsdebatte zur Mandatsverlängerung.

Es wird also von der Regierung offen zugegeben, daß die Regierung in Kabul und die Regionalbehörden korrupt sind. Die Landwirtschaft ist nicht auf die Beine gekommen, sondern die Bauern bauen wegen der guten Erlöse weiter überwiegend Mohn an. An dem Handel verdienen regionale Herrscher und die Taliban, die wieder einen islamischen Gottesstaat errichten wollen. Interessant ist, daß Steinmeier von Terroristen spricht. Im Bundeswehrverband werden die Auseinandersetzungen in Afghanistan längst als "Krieg" bezeichnet. Ein Rückzug kommt für Steinmeier nicht in Betracht: "Wenn Länder wie wir gingen, dann wäre das nicht nur eine Verletzung der Solidarität all denen gegenüber, die dableiben, sondern es wäre noch schlimmer: Wir würden das Ziel aufgeben, für das wir sechs, fast sieben Jahre in Afghanistan gearbeitet haben." Das Ziel ist, daß die Menschen "die Zukunft ihres Landes möglichst schnell wieder in die eigenen Hände nehmen und selbst für die Sicherheit in ihrem Land sorgen".

Wirtschaftliche Fortschritte bleiben aus

Wirtschaftlich ist nichts vorangekommen. Es gibt kaum Straßen, Flughäfen und nicht einmal eine Eisenbahnlinie. Das öffentliche Finanzsystem liegt darnieder. Die Ausbildung einheimischer Sicherheitskräfte hat bisher nur zu einem Ergebnis geführt: Sobald es ernst wurde, wie zum Beispiel bei dem Anschlag auf den Präsidenten Karsai, laufen die einheimischen Kräfte wie die Hasen davon.

Dennoch verschließen auch die anderen Fraktionen mit Ausnahme der Linkspartei die Augen vor der Realität. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) spielt wie Steinmeier auf der Klaviatur der Ausbildung eigener Kräfte und verschweigt darüber hinaus eine weitere Gefahr: Sobald die neuen Soldaten gut ausgebildet sind, laufen sie zu den Taliban über. Jung bemüht darüber hinaus das Bild des helfenden deutschen Soldaten, der Straßen und Brücken baut sowie Brunnen bohrt. Und er hat die Amini-Oberschule besucht, in der Mädchen und Jungen zusammen lernen, wie er stolz berichtet. Dabei ist bekannt, daß die Koedukation von den Afghanen aufgrund ihrer Tradition und Religion nicht gewollt ist. Die Zwangsüberstülpung westlicher Bildungsnormen treibt die Leute erst recht zu den Taliban. Die CSU hat eigentlich die Nase voll, nimmt aber Rücksicht auf die CDU. Landesgruppenchef Peter Ramsauer soll schon zufrieden gewesen sein, daß die Afghanistan-Debatte erst nach der Bayerischen Landtagswahl begann und nicht noch in den Wahlkampf hineinwirkte, weil über 70 Prozent der Bundesbürger gegen den Einsatz sind.

Von den kleineren Oppositionsfraktionen FDP und Grüne bekommt die Regierung Unterstützung. "Einige kritische Anmerkungen" hat der FDP-Außenexperte Werner Hoyer zwar zu machen, aber dann ist er auch wieder im Boot. Dabei war der Einsatz in der FDP-Fraktion früher heftig umstritten gewesen. Aber ein Jahr vor der Wahl muß FDP-Chef Guido Westerwelle an die Regierungs- und Koalitionsfähigkeit seiner Truppe denken. Nein-Sager sind nicht so beliebt. Die Grünen ziehen sich mit dem Trick aus der Affäre, indem sie für ziviles Engagement sind, aber nicht immer mehr Militär schicken wollen. Allein die Linkspartei will raus aus Afghanistan.

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