© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/08 17. Oktober 2008

Armee ohne Seele
Politische Zeichenlehre LIX: Eisernes Kreuz
Karl Heinz Weissmann

Nun ist es also entschieden. Die Bundeswehr wird zukünftig Soldaten für Tapferkeit vor dem Feind mit einem eigenen Orden auszeichnen. Weder hat man sich zur Neustiftung des Eisernen Kreuzes entschlossen, noch soll das "Ehrenkreuz" als Ersatz für das Eiserne Kreuz verstanden werden. Damit ist eine lang andauernde Debatte und auch die Geschichte der berühmtesten deutschen Kriegsauszeichnung abgeschlossen.

Das Eiserne Kreuz wurde am 10. März 1813 durch König Friedrich Wilhelm III. von Preußen gestiftet. Es handelte sich um ein schwarzes, silbern eingefaßtes Tatzenkreuz, das auf Entwürfe einiger Offiziere, des Monarchen und des Architekten und Malers Karl Friedrich Schinkel zurückging. Das Eiserne Kreuz war als Tapferkeitsauszeichnung während des Befreiungskampfes gegen Napoleon gedacht und wurde - anders als die Orden früherer Zeiten - unterschiedslos an Gemeine, Unteroffiziere und Offiziere (teilweise auch an Frauen) verliehen. Um seinen demokratischen Charakter zu betonen, stellte man es aus einem ganz wertlosen Material, nämlich Gußeisen her. Das Motiv selbst ließ sich aus dem Wappen des Deutschen Ordens ableiten, der ein schwarzes Kreuz auf weißem Grund geführt hatte, und entsprach damit ganz der romantischen Idee christlicher und nationaler Erneuerung.

Obwohl das der Absicht des Stifters widersprach, wurde das Eiserne Kreuz auch im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 sowie in den Weltkriegen - dann als deutsche, nicht mehr nur preußische Auszeichnung - vergeben. Schon seit 1819 war es zuerst in der preußischen, dann ab 1867 in der norddeutschen und ab 1871 in der Reichskriegsflagge verwendet worden. Während des Ersten Weltkriegs markierte man alle Flugzeuge, Zeppeline, Fahrzeuge und Panzer mit dem Eisernen Kreuz. Bei diesem Verfahren blieb es in der Zwischenkriegszeit und im Zweiten Weltkrieg (leicht verändert durch die geraden Arme des "Balkenkreuzes", das vereinzelt schon während des Ersten Weltkriegs aufgetaucht war).

Die Weimarer Republik zeigte das Eiserne Kreuz selbstverständlich in ihrer Kriegsflagge (aufgelegt auf Schwarz-Weiß-Rot, mit Schwarz-Rot-Gold im Obereck), während es in der des NS-Staates ab 1935 nur als Beizeichen vorhanden war. Allerdings hatte man nach Wiedererlangung der Wehrhoheit Fahnen und Standarten der Wehrmachtsteile mit dem Eisernen Kreuz als Grundmuster eingeführt, und 1939 erneuerte Hitler nicht nur die Stiftung des Ordens, sondern erweiterte auch die beiden Verleihungsklassen um das "Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes".

Das hohe Ansehen des Eisernen Kreuzes hatte früh dazu beigetragen, es als Sinnbild des preußischen Patriotismus zu verstehen. Die 1848 gegründete Kreuzzeitung - das Parteiblatt der Konservativen - leitete sogar ihren Namen von dem im Kopf abgebildeten Eisernen Kreuz her. Nach 1871 tauchte das Eiserne Kreuz auf vielen Sieges- und Gefallendenkmälern auf und wurde auch sonst als Ausdruck der "Reichsbegeisterung" betrachtet. Symbol betont nationaler Gesinnung blieb es in der Zeit der Weimarer Republik. Als Organisationsabzeichen kam es aber wegen seiner Verbreitung kaum in Frage, Versuche einer entsprechenden Aneignung scheiterten nach dem Ersten genauso wie nach dem Zweiten Weltkrieg. Dagegen behielt das Symbol seine Bedeutung im allgemeinen Bewußtsein, etwa wegen der Verwendung an Ehrenstätten und der ausdrücklich erteilten Erlaubnis an ehemalige Soldaten, es ohne nationalsozialistisches Hoheitszeichen weiter zu tragen.

Martin van Creveld hat in seinem neuesten Buch "Culture of War" die Bundeswehr eine "Armee ohne Seele" genannt, und das Schwanken ihrer Führung in Traditionsfragen ist ein deutliches Symptom dieses Mangels. Einerseits wurden Pläne für eine Bundeskriegsflagge verworfen, andererseits vereidigte man die ersten Rekruten vor einer schwarzrotgoldenen Fahne mit davorgesetztem Eisernem Kreuz, setzte das Eiserne Kreuz in die Fahnenspitzen der 1965 eingeführten Truppenfahnen und verwendete wie in der Vergangenheit entsprechend gestaltete Kommando- und Erkennungsflaggen in der Marine. Das waren aber Zugeständnisse an die militärische Überlieferung, die mit der Ausbreitung des Gesinnungspazifismus zunehmend problematisch wirkten. Wie weit die historisch korrekte Sicht der Dinge gedieh, konnte man nach der Wiedervereinigung ahnen, als die restaurierte Victoria auf das Brandenburger Tor zurückkehren sollte und der Unionsabgeordnete Friedbert Pflüger verlangte, man solle das Eiserne Kreuz aus ihrer Fahnenspitze entfernen.

Rückseite eines Eisernen Kreuzes II. Klasse, Stiftungsjahr 1914 mit Übernahme der Insignien von 1813: Gußeiserne Werte

Die JF-Serie "Politische Zeichenlehre" des Historikers Karlheinz Weißmann wird in zwei Wochen fortgesetzt.

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