© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/08 17. Oktober 2008

Gefahr im Verzug
Die Linke und ihr unterschätzter Extremismus
von Felix Krautkrämer

Wenn Politologen und andere Sozialwissenschaftler heutzutage vor einer Gefährdung der Demokratie in Deutschland warnen, dann ist für gewöhnlich vom Rechtsextremismus die Rede. Unzählige Studien widmen sich diesem Thema und erfreuen sich trotz ihres teilweise niedrigen wissenschaftlichen Standards oft großen Interesses. Die Gefahr, die hierzulande vom Linksextremismus ausgeht, wird dagegen selten erwähnt. Dabei verfügt der Linksextremismus in Deutschland über ein weitaus größeres Personenpotential und kann auf parteipolitische Unterstützung zurückgreifen.

Einer, der bereits seit Jahren auf genau diese Gefahr hinweist, ist der Chemnitzer Extremismusforscher Eckhard Jesse. Für seine Warnungen erntet der Politologe jedoch nicht nur Beifall. Neben Anfeindungen linker Politiker wie der grünen Bundestagsabgeordneten Monika Lazar oder ihrer Kollegin von der Linkspartei, Ulla Jelpke, ist der Wissenschaftler auch ins Visier von Linksextremisten geraten. Bereits zweimal wurden allein in diesem Jahr Vorträge von ihm massiv gestört (JF 22/08). Die Störer warfen Jesse vor, Links- mit Rechtsextremismus gleichzusetzen und dadurch Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus und Neonazismus zu relativieren. Doch allen Angriffen zum Trotz legt Jesse weiterhin den Finger in die Wunde. Daher dürfte auch sein aktuelles Buch, das er zusammen mit dem Politikwissenschaftler Jürgen Lang verfaßt hat, bei seinen Kritikern auf wenig Gegenliebe stoßen. Schließlich unterzieht es die Linkspartei einer detaillierten Betrachtung.

Die beiden Autoren liefern einen guten Überblick über die Geschichte der beiden zur Linkspartei fusionierten Parteien PDS und WASG sowie eine Analyse ihrer Wahlergebnisse auf Landes-, Bundes- und Europaebene seit 1990. Zugleich zeichnen sie den Weg der PDS und Linkspartei vom einstigen "Schmuddelkind" im Parteiensystem zum Regierungspartner auf Länderebene.

Was 1994 in Magdeburg mit der Tolerierung der dortigen rot-grünen Regierung durch die PDS begann, fand seinen Fortgang in der Koalition von SPD und PDS in Mecklenburg-Vorpommern. Der 27. September 1998 ist für Jesse daher auch ein historisches Datum. Zum ersten Mal sei im wiedervereinigten Deutschland eine Koalition "mit einer im Kern extremistischen Partei" gebildet worden.

Vier Jahre später zog auch Berlin nach. Und Andrea Ypsilanti schreibt in Wiesbaden derweil Geschichte, indem sie Hessen zum ersten westdeutschen Bundesland "mit einer von den Postkommunisten tolerierten oder unterstützten Regierung" zu machen versucht.

Neben dem historischen und analytischen Teil bietet das Buch ausführliche Porträts der beiden Parteiführer Lothar Bisky und Oskar Lafontaine sowie des Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Gregor Gysi. Weitere Kurzbiographien anderer führender Protagonisten, darunter Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, die innenpolitische Sprecherin Ulla Jelpke und das "kommunistische Aushängeschild" der Partei, Sahra Wagenknecht, sind jedoch teils recht lückenhaft verfaßt.

Organisationen wie die Kommunistische Plattform, deren Sprecherin Wagenknecht ist, oder die Sozialistische Linke sind es schließlich auch, die nach Ansicht der beiden Autoren für eine extremistische Grundausrichtung der Partei sorgen. Und selbst wenn die Linkspartei kein "offensiv umstürzlerisches Konzept" verfolge, stünden "Werte und Prinzipien des demokratischen Verfassungsstaates" laut Jesse und Lang für die Linke offensichtlich zur Disposition, was sie als "smarten Extremismus" bezeichnen.

Dies ist allerdings recht harmlos formuliert, denn ganz so smart ist der von der Linkspartei ausgehende Extremismus nicht. Was das Buch nur unzulänglich thematisiert, sind die zahlreichen personellen und organisatorischen Vernetzungen der Partei ins linksextremistische Spektrum, wie die bestehenden Kontakte zum gewaltbereiten Antifa-Milieu sowie dessen Unterstützung durch die Partei.

Ferner wäre es wünschenswert gewesen, wenn Jesse und Lang die Strukturen der radikalen Jugendorganisation der Partei, der Linksjugend Solid, die sich selbst als sozialistisch, antifaschistisch, basisdemokratisch und feministisch bezeichnet, einer genaueren Untersuchung unterzogen hätten. Gerade sie sind es nämlich, die der Partei vor allem im Westen jugendlichen Nachwuchs sowie ein hohes Mobilisierungspotential bei Demonstrationen verschaffen. Zudem nutzt die Linkspartei oftmals gerade diese Kräfte bei Kampagnen gegen ihre politischen Gegner, was auch deren gewaltsame Bekämpfung außerhalb des Parlaments beinhaltet.

Eckhard Jesse, Jürgen P. Lang: Die Linke - der smarte Extremismus einer deutschen Partei. Olzog Verlag, München 2008, gebunden, 288 Seiten, 24,90 Euro

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