© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/08 24. Oktober 2008

Uni außer Kontrolle
Hochschulen: Die linke Vorherrschaft kostet die Studenten Millionen Euro / Bürgerliche Listen machen mobil
Tobias Westphal

Hunderttausende von Erstsemestern beginnen in diesen Tagen ihr Studium, allein in Bayern sind es 51.000, in NRW gar über 70.000. Wegen des Wegfalls der Studiengebühren verzeichnen auch die hessischen Hochschulen so viele Studenten wie noch nie. Diese werden ihren neuen Lebensabschnitt in einem Klima linkspolitischer Anschauungen beginnen - und das für ganz normal halten. Wie kommt es zu dieser linken Meinungsführerschaft an unseren Unis?

Wem nutzt etwa das studentische Mitbestimmungsrecht? Fragt man Studenten, was der Allgemeine Studierendenausschuß (AStA) für sie leistet, dann blickt man meist in unwissende Gesichter. Fragt man konkreter, wer im Studierendenparlament (StuPa) die Mehrheit stellt, erhält man ein Achselzucken.

Und das, obwohl in den meisten Bundesländern das StuPa jedes Jahr gewählt wird! Es ist das höchste beschlußfassende Organ aller wahlberechtigten Studenten, welches wiederum den AStA wählt, der - wie eine Regierung - Aufgaben durch verschiedene Referenten wahrnimmt. StuPa und AStA finanzieren sich direkt durch die eingeschriebenen Studenten.

Doch obwohl das StuPa entscheidet, wohin die Gelder der Studenten fließen, liegt die Beteiligung an der Wahl normalerweise nur zwischen zehn und im besten Falle knapp dreißig Prozent.

Eine Quote von mindestens 25 Prozent ist in Hessen wichtig, denn die noch amtierende CDU-Regierung hatte im Jahr 2005 festgelegt, daß ein Großteil der Semesterbeiträge nicht erhoben werden darf, wenn die Wahlbeteiligung unter dieser Hürde bleibt. Bei den rot-grünen Koalitionsgesprächen wurde jedoch bereits vereinbart, daß diese Quote wieder abgeschafft werden soll.

Es geht um viel Geld; pro Semester werden je Student zum Beispiel in Marburg 8,70 Euro, in Gießen 8,50 Euro für das StuPa vereinnahmt. Das summiert sich in Marburg auf rund 300.000 Euro jährlich und auf circa 350.000 Euro in Gießen; diese Gelder stehen dem Parlament bzw. dem AStA zur freien Verfügung. Was damit geschieht, bestimmt die Mehrheit; in Marburg etwa die Grüne Hochschulgruppe, in Gießen regieren die Jusos in einem Bündnis mit weiteren linken Listen. Die finanzieren damit verschiedene Referate: für Finanzen, Hochschulpolitik, Wohnen und Soziales oder Öffentlichkeit und Kommunikation. Üblich sind aber auch solche für Antifaschismus, Antirassismus, Gender Mainstreaming, Homosexualität etc.

Daneben gibt es noch sogenannte autonome Referate, die sich - unabhängig von der Machtverteilung im StuPa - um die Belange sogenannter benachteiligter Gruppen kümmern. In Marburg besteht ein "AusländerInnenreferat", ein Referat für Studierende mit Behinderungen, das "Frauen­Lesbenreferat", das Feministische Archiv und das Schwulenreferat. Es wird deutlich, daß der heterosexuelle, deutsche - weibliche oder männliche - "Normalstudent" unterrepräsentiert ist. Deshalb wird der Vorwurf laut, die linke Politik der Hochschulreferate gehe an den Bedürfnissen der meisten Studenten vorbei, statt dessen werde ideologische Politik betrieben.

Doch es regt sich noch mehr Kritik: Die Verteilung der Gelder ist nicht transparent! Auf Nachfrage der JUNGEN FREIHEIT erklärte der AStA Gießen, daß eine "Offenbarungspflicht nur gegenüber Studenten der Uni" bestehe. Denn zu beanstanden ist, daß das Geld auch nichtuniversitären Einrichtungen zugute kommt; der Gießener AStA etwa unterstützt zahlreiche universitätsferne Vereine mit mehreren tausend Euro. Zudem überweist er Geld an fragwürdige Empfänger; laut dem Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) unterstütze er mit mehreren tausend Euro linke und linksextreme Organisationen, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Noch weiter geht der RCDS in Marburg; er prangerte Ende 2007 die katastrophale Finanzführung des AStA und die Zusammenarbeit der Grünen mit linksradikalen Gruppen im StuPa an.

Seit jeher umstritten ist auch die Wahrnehmung allgemeinpolitischer Interessen durch den AStA. Denn Politik ohne direkten Hochschulbezug ist nicht die Aufgabe der Vertreter der Studierendenschaft. Das ihnen anvertraute Geld zu verwenden, um sich zu allgemeinpolitischen Themen zu äußern, ist nicht statthaft. Dennoch setzen sich viele ASten nur für allgemeine linke Themen ein - und bekämpfen obendrein konservative Positionen (siehe Reportage Seite 5).

Einig sind sich viele linke ASten auch im Kampf gegen ortsansässige Studentenverbindungen. Da erscheint es wie ein Treppenwitz der Geschichte, daß die studentische Mitbestimmung ihre Ursprünge in den Conventen der Studentenverbindungen hat. In den ersten Mitbestimmungsgremien waren es Verbindungsstudenten, die sich engagierten. Erst gegen Ende der 1960er Jahre bestimmten immer mehr linksorientierte Gruppen die ASten. Seitdem ist es für Konservative schwierig, sich der linken Meinungsführerschaft zu stellen und Mehrheiten zu erlangen.

Vor allem in Zeiten der Entpolitisierung, denn kaum ein Student möchte sich heutzutage engagieren. Bemerkenswert ist, daß sich der Normalstudent mitunter der Stimmabgabe enthält, weil er sich vom AStA nicht repräsentiert fühlt. Ein weiterer Grund ist, daß es für den einzelnen den Anschein hat, als fielen seine 8,50 Euro als Beitrag für die Studentenschaft nicht ins Gewicht. Wichtiger wird dem einzelnen immer mehr nur der Studienerfolg. So können derzeit rechnerische Minderheiten über den Verbleib von mehreren hunderttausend Euro entscheiden. Will man auf die bisherige Mitbestimmung nicht verzichten, wie es in Bayern und Baden-Württemberg schon seit den siebziger Jahren der Fall ist, sollte also sichergestellt sein, daß die Gelder der Studenten nicht für universitätsfremde oder extremistische Zwecke verwendet werden. Als Hoffnung bleibt, daß es in den vergangenen Jahren immer mehr bürgerlichen Listen gelungen ist, beträchtlich zuzulegen und linke ASten mitunter abzuwählen (siehe Interview Seite 3). Eine Trendwende ist aber noch nicht in Sicht.

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