© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/08 24. Oktober 2008

Wettlauf gegen die Natur
Kino: "Nordwand" von Philipp Stölzl
Jean Lüdeke

Die Schrecken des Eises und der Finsternis: "Nordwand" bebildert den atemberaubenden Überlebenskampf in über 3.000 Metern Höhe. Die authentische Tragödie um die deutsche und eine konkurrierenden Seilschaft aus Österreich ist eingebettet in die Selbstfindung der angehenden Journalistin Louise (Johanna Wokalek), die mit ihrem Chef (Ulrich Tukur) in die Schweiz reist, um über ihre beiden Jugendfreunde zu berichten.

Sommer 1936: Die Olympischen Sommerspiele in Berlin stehen bevor, aber die beiden leidenschaftlichen Kletterer aus dem Berchtesgadener Land, Toni Kurz (Benno Fürmann) und Andi Hinterstoisser (Florian Lukas), kümmert dies wenig. Kaum ein Gipfel im angrenzenden Höhenareal, der nicht von ihnen bezwungen wurde. Es bleibt lediglich die noch jungfräuliche Eiger Nordwand, die bereits erfahrene Kletterer das Leben gekostet hat. Für die Erstbesteigung des Berges winkt die olympische Goldmedaille.

Am 18. Juli 1936 beginnen Andi und Toni um zwei Uhr früh den Aufstieg, dicht gefolgt von den österreichischen Kletterprofis Willy Angerer (Simon Schwarz) und Edi Rainer (Georg Friedrich). Zunächst läuft alles nach Plan, doch der Eiger ist berüchtigt für seine plötzlichen Wetterumschwünge ...

Gebannt verfolgt der Kinogänger die mörderisch inszenierten Kletterszenen, in denen Kälte, Erschöpfung, Tod und Überlebenswille die Dramatik dieses Himmelfahrtskommandos füttern. Kolja Brandts harsche, bisweilen dokumentarfilmverbrämte Handkamera-Sequenzen der weißen Berghölle begleiten den tragischen Kampf der Bergsteiger auf schwerfälligem Schritt und fatalem Fehlritt. Dies erzeugt eine kaum zu ertragende Unmittelbarkeit, die durch den Kontrast zum voyeuristischen und dekadenten Gebaren der Parteifunktionäre und der Presse in wohliger Wärme des Hotels am Fuße des Eiger um so perfider wirkt.

Mit der romantisierenden Betrachtungsweise im Heimatfilm eines Luis Trenker hat "Nordwand" nichts gemein. Nicht um eine heroische Bezwingung geht es in diesem fesselnden Alpendrama, sondern um einen Wettlauf mit der Zeit und den tödlichen Naturgewalten, dessen Folgen alle bitter bereuen. Die Schrecken des Eises, hier führen sie in die Finsternis.

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