© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/08 31. Oktober 2008

Meyer, Müller und Schulze sind längst weg
Islam: In dem Duisburger Stadtteil Marxloh ist die größte Moschee Deutschlands eingeweiht worden / Kaum noch deutsche Einwohner
Hinrich Rohbohm

Von außen ist sie eher schlicht: graue Farbtöne, die nahtlos in das naßkalte graue Herbstwetter passen. Dennoch: Die neue Merkez-Moschee im Duisburger Stadtteil Marxloh hebt sich von den anderen Gebäuden ab. Jenen grauen Mehrfamilienhäusern, deren Fenster von grauen Jalousien verschlossen sind und durch deren regennasse Straßen ein kalter, ungemütlicher Wind fegt, der auf den schmucklosen Hinterhöfen umherliegenden Müll durcheinanderwirbelt. Die Namen auf den Klingelschildern lauten Yilmaz, Ozman, oder Agkün. Meyer, Müller oder Schulze gibt es hier schon lange nicht mehr. Sie sind schon vor Jahren weggezogen, aus einer Gegend, in der sich längst eine muslimische Parallelgesellschaft gebildet hat.

Eine Gesellschaft, die das Integrationsgerede von Politikern nicht schert. Die größtenteils kein Deutsch spricht. Die sich in Duisburg-Marxloh längst ihre eigene Infrastruktur geschaffen hat. "Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten", hatte ein Mann namens Recep Tayyip Erdoğan im Jahre 1998 ganz unverhohlen auf einer Konferenz in der ostanatolischen Stadt Siirt den türkischen Schriftsteller Ziya Gökalb zitiert. Damals - in einer säkularisierten Türkei - brachte ihm der Satz eine zehnmonatige Haftstrafe und lebenslanges Politik-Verbot ein. Heute ist Erdoğan türkischer Regierungschef.

Wie naiv und die Lebenswirklichkeit ignorierend die deutsche Politik der zunehmenden Radikalisierung des Islam gegenübersteht, wird anhand einer Äußerung des nordrhein-westfälischen Minsterpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) deutlich. Der hatte in seiner Rede zur Eröffnung der Merkez-Moschee sogar noch mehr Moscheen für Deutschland gefordert.

Gegen nur eine Moschee hätten auch die wenigen verbliebenen deutschen Anwohner nichts. Ihr Tenor: "Es ist doch besser, die Muslime beten in einer richtigen Moschee anstatt auf irgendwelchen Hinterhöfen." Probleme habe es bisher auch nicht gegeben. Aber: "Eine Moschee reicht." Dafür, daß jetzt bereits über eine zweite Moschee für Duisburg diskutiert werde habe man kein Verständnis.

Und während die Parteien angesichts ausbleibender Proteste um die Merkez-Moschee jubelnd von einem Wunder sprechen, übersehen sie, daß im von Moslems dominierten Marxloh kaum noch jemand lebt, der protestieren würde. "Sehen Sie sich hier doch um, die sind doch längst alle weggezogen. Nur ich alte Krücke bin noch geblieben", sagt Irmgard Wojciechowski. Und auch sie würde am liebsten gehen. Die 83jährige wohnt ebenfalls ganz in der Nähe der neuen Moschee - und fühlt sich mittlerweile in ihrer eigenen Heimat fremd. Ihre schönen sommerlichen Grillfeste mit der Nachbarschaft gehören längst der Vergangenheit an, erzählt sie wehmütig.

Für Deutsche ist es in Marxloh schon seit langem herbstlich. Und der Winter naht. Wenn die wenigen in dem Stadtteil verbliebenen Rentner verstorben sind, dürften die Integrationsbemühungen der Politik als endgültig gescheitert angesehen werden. Deutsch spricht hier kaum noch jemand. Schon gar nicht in den Marxloher Geschäften. Die Restaurants heißen Topkapi und Ali Baba, das Stehcafé gehört Emir Kuruyemis, an der Apotheke auf der anderen Straßenseite steht der Name Eczane. Das Juweliergeschäft heißt Kuyumcu, das Foto-Studio Ozman. Orient-Märkte, Wasserpfeifen-Geschäfte sowie Döner-Läden sind an fast jeder Ecke vorzufinden. Und Brautmodegeschäfte.

Immer wieder Brautmodegeschäfte. In Marxloh ist eine ungewöhnlich hohe Konzentration dieser Branche festzustellen. Ähnlich verhält es sich mit Läden für Babymoden: Symbole dafür, wie es zu dem rasanten gesellschaftlichen Wandel dieses Stadtteils gekommen ist. Zuzüge von Menschen aus muslimischen Staaten und ihre hohen Geburtenraten stehen einer alternden und kinderarmen einheimischen Bevölkerung gegenüber.

Die Merkez-Moschee ist von jetzt an der Mittelpunkt dieser neuen Gesellschaft. Das Minarett des religiösen Zentrums ist schon von weitem sichtbar. Es ist Freitag. Muslime kommen aus allen Richtungen, strömen herbei zum Gebet. Merkez, das ist türkisch und heißt Zentrum. Es ist das größte muslimische Gebetszentrum Deutschlands. Die Frauen tragen Kopftuch, auch die jüngeren. Die Männer haben ihr Haupt mit einer Gebetskappe bedeckt, der Takke. Bevor sie den schweren rot-weißen Gebetsteppich im Inneren der Moschee betreten, entledigen sie sich ihrer Schuhe. Die Frauen dürfen nicht mit hinein. Sie müssen auf der Empore Platz nehmen.

"Die wissen, daß sie hier jetzt das Sagen haben"

Sami Uslu, ein in eine weiße Robe gekleideter Imam aus der Türkei, spricht zu seinen Gläubigen. Wegen der Moschee-Eröffnung ist der Religionsgelehrte extra nach Deutschland gekommen. Aber er ist für Deutsche nicht zu verstehen. Er redet Türkisch. Eine Übersetzung ins Deutsche gibt es nicht.

Ralf Fahnert kann der Moschee "einerseits" Positives abgewinnen. "Andererseits sehe ich aber auch die muslimischen Jugendlichen, die hier die Leute zusammenschlagen und randalieren", sagt der 44 Jahre alte Prospekteverteiler, ehemalige Kranfahrer und gelernte Steinmetz. "Mir haben die auch schon mal einen Stein an den Kopf geworfen. Wenn die so was mit meiner Frau machen, schlag ich die windelweich." In seiner "Stamm-Trinkhalle" sei er von denen auch schon mal "zusammengetreten" worden - völlig grundlos, wie er sagt. "Die wissen, daß sie hier jetzt das Sagen haben". Und das würden sie den Deutschen auch in aller Deutlichkeit zeigen.

Fotos: Symbole für den Vormarsch des Islam: Zwischen tristen Mehrfamilienhäusern ragen Kuppeln und Minarett als "Helme" und "Bajonett" heraus, In der Moschee: Kronleuchter, Teppich und türkisblaue Fenster

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