© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/08 31. Oktober 2008

Frisch gepresst

Stalingrad. In einem der besten Erlebnisberichte über den Rußlandkrieg, Curt Hohoffs "Woina, Woina" (1952), heißt es über den Vormarsch im Sommer 1942: "...für Wochen und Monate wurden wir uns selbst zur Sage. Als wir vor Stalingrad lagen, hielt Rommel vor Alexandrien. Einen Augenblick konnte man an eine Begegnung mit den Japanern am Roten Meer denken, oder in Persien. Für diesen Augenblick lohnte es sich, unser Elend, unsere Verlassenheit zu vergessen, Alexanderträume. Die Weltgeschichte weiß, daß der Versuch mißlungen ist. Der Umschlag von höchster Erwartung zur Erniedrigung einer erbarmungslosen Verlassenheit bis in den Tod brach das moralische Rückgrat des deutschen Heeres." Als Soldat im Zentrum dieser Tragödie, die "Alexanderträume" in das "Trauma von Stalingrad" verwandelte, stand General Friedrich Paulus. Der in der DDR-Geschichtswissenschaft sozialisierte Torsten Diedrich, seit 1992 im Potsdamer Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA) tätig, widmet dem Oberbefehlshaber der an der Wolga untergegangenen 6. Armee eine umfassende Darstellung, die zugleich einen Ausschnitt aus der Geschichte der militärischen "Funktionselite" bieten will, der der hessische Infanterieoffizier seit 1910 angehörte. Auf die für Paulus schicksalhaften Monate im "Kessel" von Stalingrad verwendet Diedrich daher nur ein Viertel seiner Darstellung, weniger als für seinen Leidensweg in der Sowjetgefangenschaft und die letzten Jahren in Ulbrichts DDR - "zuhause in einer anderen Welt" (Paulus. Das Trauma von Stalingrad. Eine Biographie. Schöningh Verlag, Paderborn 2008, gebunden, 580 Seiten, Abbildungen, 39,90 Euro).

Laute Nächte. Nachwuchs hat Konjunktur. Glücklich jene Eltern, die nicht mit Ein- und Durchschlafproblemen ihrer Kleinsten zu kämpfen haben! Im Rückblick mögen durchwachte Nächte zu den Dingen zählen, die man am schnellsten vergessen hat. Ist man jedoch "mittendrin", herrscht Krisenstimmung. Nachteulen zehren an der Substanz ihrer Eltern - und an ihrer ureignen. Denn jedes Kind will durchschlafen, sagt Anna Wahlgren, und zwar zwölf Stunden am Stück (Das DurchschlafBuch. Die sanfte Schlafkur für dein Baby. Beltz Verlag, Weinheim 2008) Daß man der schwedischen Erfolgsautorin und ihrer Methode Glauben schenkt, liegt daran, daß hier die Erfahrung einer neunfachen Mutter spricht. Tatsächlich kommt in allgemeinen Erziehungsratgebern das Schlafbedürfnis auch größerer Kinder (Wahlgren spricht von zwölf Stunden sogar noch bei Grundschülern) zu kurz. Daß die Lektüre dennoch teils verstimmt, liegt am allzu süßlichen Kitsch in Wort und Bild, der wie die vielen gleichlautenden "Erfahrungsberichte" die simplen Sachlagen überfrachtet.

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