© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/08 07. November 2008

Frisch gepresst

Polen und Juden. Unter dem Titel "Unbequeme Wahrheiten" versammeln die Herausgeberinnen Barbara Engelking und Helga Hirsch polnische Diskussionsbeiträge aus den letzten zwanzig Jahren über "Polen und sein Verhältnis zu den Juden" (Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M. 2008, broschiert, 309 Seiten, 12 Euro). Die Debatte konzentrierte sich vorwiegend auf das Phänomen des "polnischen Antisemitismus" in der Zwischenkriegszeit, auf die Jahre der deutschen Besatzung und auf die antijüdischen Exzesse in "Volkspolen" nach 1945. Allein die Thematisierung dieser lange tabuisierten "Beziehungsgeschichte" riskiert bis heute in der latent chauvinistischen polnischen Öffentlichkeit die Stigmatisierung als "Verrat am Vaterland". Insofern kommt dem apologetischen, 1987 publizierten Artikel Wladyslaw Sila-Nowickis eine exemplarische Bedeutung zu. Der Jurist und Angehörige des antikommunistischen Widerstands zwischen 1939 und 1944 bestreitet energisch eine relevante polnische Judenfeindschaft. Er spricht für einen großen Teil seiner Landsleute, wenn er provozierend fragt, ob es denn nicht stimme, daß das "meiste Kapital" bis 1939 in den Händen der zehnprozentigen jüdischen Minderheit lag, daß sie den Handel beherrschten, daß ihre Einkommen höher lagen als die der polnischen Mehrheit, daß man ein Recht gehabt habe, durch den Numerus clausus "die Gesellschaft vor der Majorisierung durch eine fremde Intelligenz" zu schützen, ob sich die Juden nicht bewußt von der polnischen Gesellschaft abgeschottet hätten, was den deutschen Besatzern die Separation und Ghettoisierung ungemein erleichterte. Das Gros der Beiträge läßt solche "Relativierungen" jedoch hinter sich und zeigt sich zerknirscht "kritisch" im Bestreben, sich dem ganzen Ausmaß tiefsitzender polnischer Judenfeindschaft zu stellen.

 

Bildungsgeschichte. Die Einheit von 1871 verdanken die Deutschen dem Zündnadelgewehr, Moltkes virtuosem Einsatz der Eisenbahn in der Aufmarschplanung und - ihren Volksschullehrern. Denn ohne solide "Massenbildung" kein "intelligentes Heer". "Schulwesen und Lehrerbildung" bilden daher zu Recht eins der gedrängten Kapitel, die in Hans-Christof Kraus' Brevier "Kultur, Bildung und Wissenschaft im 19. Jahrhundert" (Oldenbourg Verlag, München 2008, broschiert, 164 Seiten, 19,80 Euro) die bildungspolitischen Weichenstellungen für Deutschlands Durchbruch zur "Moderne" skizzieren. Gemäß der Konzeption der Reihe "Enzyklopädie Deutscher Geschichte", in der dieser Band als günstige Variante zur gebundenen Ausgabe erscheint, folgen dem 50seitigen Überblick eine Einführung in "Grundprobleme und Tendenzen der Forschungen" und eine ausführliche Bibliographie zur Wissenschafts- und Bildungsgeschichte.

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