© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/08 14. November 2008

Eine herzzerreißende Niederlage
US-Wahl II: Obamas 53-Prozent-Sieg ist kein Beleg für einen kulturellen Linksruck / Erfolg für mehrere christlich-konservative Volksinitiativen
Victor Gaché

Am Morgen nach der Wahlnacht in den USA gab es für Ellen Lee DeGeneres ein böses Erwachen. Die 50jährige Schauspielerin und populäre Fernsehkomödiantin mußte feststellen, daß die gleichgeschlechtliche Ehe von den Wählern im Pazifikstaat Kalifornien soeben wieder gekippt worden ist. Eine "herzzerreißende Niederlage", urteilte die Nachrichtenagentur AP über diesen überraschenden Ausgang des Referendums im ansonsten für US-Verhältnisse liberalen Westküsten-Staat.

Dabei gab es die Homo-Ehe erst seit einem halben Jahr. Im Mai hatte das Oberste Gericht von Kalifornien dies in einem aufsehenerregenden Urteil erlaubt. DeGeneres hatte daraufhin im August ihre 15 Jahre jüngere australische Freundin Portia de Rossi geheiratet. Etwa 18.000 weitere homosexuelle Paare in Kalifornien ließen ebenfalls ihre Verbindung als Ehe registrieren. Und nun soll es wieder vorbei sein? Wie viele andere Hollywood-Stars hat DeGeneres 100.000 Dollar gespendet, um einen Erfolg des Anti-Homo-Ehe-Referendums zu verhindern. Doch die kalifornischen Wähler sahen es anders: 52 Prozent stimmten für ein Verbot. Bei der gleichzeitigen Präsidentenwahl kam der als liberal geltende Barack Obama in Kalifornien dennoch auf 61,1 Prozent. Bei beiden Zahlen dürften die traditionell katholischen Latinos den Ausschlag gegeben haben.

DeGeneres hatte in den neunziger Jahren eine erfolgreiche Fernsehserie mit dem Namen "Ellen" produziert, die auch in Deutschland ausgestrahlt worden ist. Darin verarbeitete sie ihr lesbisches "Coming Out". Sie spielte die Hauptrolle in ihrer eigenen Serie. Doch nun ist sie entsetzt: "Wie viele Amerikaner dachten wir, daß wir einen großen Schritt in Richtung Gleichstellung machen, wenn wir Obama zum Präsidenten wählen." Doch durch das Referendum ("Proposition 8") "sind wir enorm zurückgeworfen worden". Noch enttäuschter waren Jake Rowe (27) und James Eslick (29) am Morgen nach der Wahl. Die beiden Männer warteten gerade im Standesamt von Sacramento, der Hauptstadt von Kalifornien, auf ihre Urkunde, als ein Beamter die Eheschließung unterband.

Auslaufmodell Homo-Ehe?

Die wichtigsten Befürworter eines Verbots der Schwulen-Ehe waren die Mormonen und die katholische Kirche. Und das ist inzwischen das Paradoxe an der US-Politik: Je mehr Latinos nach Kalifornien strömen, desto weniger Einfluß haben die liberal-urbanen englischsprachigen Weißen, die diese unregulierte Einwanderung befürworten. Die Latinos aber sind meist strenggläubige Katholiken und stimmen im Sinne ihrer Kirche - also gegen die Homo-Ehe. Und noch eine Überraschung: Ohne die hohe Wahlbeteiligung der Schwarzen, die wegen Obama (einem Homo-Ehen-Befürworter) erstmals zur Wahl gingen, wäre das Referendum vielleicht doch noch gescheitert. Denn auch die Afroamerikaner stimmten zu siebzig Prozent gegen die Homo-Ehe.

In dreißig Bundesstaaten gelten bereits wertkonservative Prinzipien wie in Kalifornien: Die Ehe ist in diesen Staaten für Mann und Frau reserviert. Das Neue am Fall Kalifornien ist übrigens auch, daß erstmals eine bereits getroffene liberale Regelung rückwirkend per Volksabstimmung rückgängig gemacht wurde. Die Amerikanische Bürgerrechtsunion (ACLU) und andere Lobby-Organisationen reichten inzwischen Klage beim Obersten Gericht von Kalifornien ein, denn das mit dem Referendum angenommene Gesetz enthalte Homosexuellen grundlegende US-Verfassungsrechte vor.

"Es läuft etwas grundsätzlich falsch, wenn die Rechte einer Minderheit dem Mehrheitsvotum unterzogen werden", erklärte Evan Wolfson, Gründer von "Freedom to Marry". Der kalifornische Generalstaatsanwalt erklärte inzwischen, daß die bestehenden Homo-Ehen vorerst intakt bleiben werden. Allerdings seien Klagen von Dritten dagegen nicht ausgeschlossen. Vom Ausgang des Rechtsstreits wird viel für die anderen Bundesstaaten abhängen: Setzen sich die Traditionalisten endgültig durch, oder wird die Homo-Ehe doch noch legal?

In den liberalen Ostküstenstaaten Connecticut und Massachusetts mit ihrer zu fast 90 Prozent weißen Bevölkerung ist die Homo-Ehe per Gesetz ausdrücklich erlaubt. In den von starker Latino-Zuwanderung geprägten Staaten Arizona und Florida wurde hingegen am Wahltag ein Homo-Ehe-Verbot per Referendum festlegt. Auch andere Voter initiatives etwa zum Thema Energiepolitik bestätigten, daß die US-Bürger keineswegs so modern sind, wie die Wahl Obamas in Europa suggeriert.

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