© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/08 14. November 2008

Frisch gepresst

Deutsch-Österreich. Gleich zweimal stehen österreichische Jahresjubiläen dieses Jahr im Fokus. Vor neunzig Jahren, Ende Oktober 1918, zerbrach das k.u.k-Reich in nur wenigen Wochen zwischen "seinen Völkern", die sich sogleich daranmachten, die Grenzen ihrer Territorien mit blutigen Scharmützeln untereinander zu markieren. Fast zwanzig Jahre später ging das deutschsprachige Restreich seinen freiwilligen Weg in eine gerade einmal sechs Jahre andauernde großdeutsche Perspektive. Die Zeit dazwischen, aus der allenfalls noch das austro-diktatorische Intermezzo von Engelbert Dollfuß und Kurt Schuschnigg in der Erinnerung haften blieb, ruft der Anthropologe Heinrich Dosedla wach. Seine Erfahrungen aus dorfmonographischen Untersuchungen im Burgenland für den österreichischen Volkskundeatlas bieten dabei eine Grundlage, anhand zweier Familien aus kleinbürgerlichem Milieu einen Abriß zwischen Abwehrkampf und Anschluß zu zeichnen, die praktischerweise sowohl rot als auch braun orientiert sind. Das entstehende Mosaik dieses Ereignistagebuches, das die große Politik mit den nach oral history-Kriterien dargebotenen Wirrnissen des Provinzalltags vermischt, vermittelt ein hübsches Bild der zwanzigjährigen Geschichte der Alpenrepublik (Von Habsburg bis Hitler. Österreich vor dem Anschluß. Molden Verlag, Wien 2008, gebunden, 376 Seiten, Abbildungen, 24,95 Euro).

Führerhauptquartiere. Auf dem Schutzumschlag der jüngsten Veröffentlichung Christel Fockens springen die Namen von zehn "Führerhauptquartieren" in roten Frakturlettern in die Augen. Auf den ersten Blick könnte man glauben, der großformatige Bildband präsentiere diese zehn "Gedenkorte" eigener Art in einem Rutsch. Tatsächlich geht es auf Hunderten von farbigen Aufnahmen zunächst einmal nur um den niederschlesischen Fuchsbau "Riese" im Eulengebirge, wo die Arbeiten 1943 begannen. Die zehn Quartiere, von Wolfsschanze (diesen Monat erschienen) bis Obersalzberg, sollen in den nächsten Jahren folgen, sofern die Höhlenforscherin und Amateurhistorikern Focken, die 2007 mit einer ähnlich akribischen Spurensuche am "Ostwall" im Oder-Warthe-Bogen erstmals publizistisch auf den Plan trat, ihre nicht ganz ungefährlichen Exkursionen unbeschadet übersteht. Es ist gewiß ein Beitrag zur "militärischen Zeitgeschichte", wie sie der Verlag intendiert und keine "Verherrlichung des NS-Regimes". Aber ob die noch so technisch-präzise Beschreibung von verfallenen Bunkeranlagen und Depots wirklich zur "kritischen Interpretation der nationalsozialistischen totalitären Herrschaft" noch etwas Neues beitragen kann, erscheint zumindest fraglich (Helios Verlag, Aachen 2008, gebunden, 121 Seiten, Abbildungen, 29,70 Euro).

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