© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/08 28. November 2008

Alles eine Frage der Statistik
Bildungspolitik: Ein Blick auf die Zahlen der neuesten Pisa-Studie zeigt, wie groß der Abstand zwischen deutschen und ausländischen Schülern in Deutschland ist
Ekkehard Schultz

Schüler aus Zuwandererfamilien haben im Durchschnitt ein erheblich geringeres Bildungsniveau als Kinder aus deutschen Elternhäusern. Dieser Befund der Pisa-Studie wird durch die aktuelle Pisa-Ergänzungs-Untersuchung (JF 48/08) bestätigt. Für diesen innerdeutschen Vergleich wurden ergänzend zum internationalen Pisa-Test 57.000 Schüler im Alter von 15 Jahren geprüft.

Bereits vor der Veröffentlichung sämtlicher Einzelergebnisse zeigt sich, daß selbst in Bundesländern wie Bayern oder Baden-Württemberg, die in diesem Test überdurchschnittlich gut abschnitten, der Abstand zwischen ausländischen und deutschen Jugendlichen sehr groß ist. In Bayern erzielten Schüler aus deutschen Elternhäusern im Durchschnitt 555 Punkte, während Kinder aus Zuwandererfamilien nur 449 Punkte erreichten. In Hamburg schafften Jugendliche aus Familien ohne Migrationshintergrund 548 Punkte, aus Familien mit Migrationshintergrund dagegen nur 438. In Berlin kamen Jugendliche aus deutschen Elternhäusern auf 543 Punkte. Jugendliche aus Zuwandererfamilien verzeichneten dagegen mit nur 424 Punkten im deutschlandweiten Vergleich das schlechteste Ergebnis.

Die Folgen dieser klaren Unterschiede im Bildungsniveau werden auch im internationalen Vergleich deutlich: Würden nur die Schüler, die deutsche Eltern haben, dabei gemessen, kämen sieben deutsche Bundesländer bei den Naturwissenschaften unter die ersten zehn. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch bei der Lesekompetenz. Bei der letzten internationalen Pisa-Studie schaffte es Deutschland nur ins Mittelfeld, obwohl kleinere Verbesserungen seit der ersten Studie von 2000 nachweisbar waren, die sich allerdings auf sämtliche Schüler beziehen.  

Schon vor der Bekanntgabe der Ergebnisse der aktuellen Pisa-E-Studie zog im Spätsommer dieses Jahres der Wissenschaftliche Beirat von Bund und Ländern zur Qualitätssicherung in den Schulen ein weitestgehend ernüchterndes Fazit. In einem internen Arbeitspapier wies er auf den wachsenden Anteil der sogenannten "Risikoschüler" unter den 15jährigen hin. Zu dieser Gruppe werden jene Jugendliche gerechnet, die in diesem Alter nur auf Grundschulniveau rechnen und lesen können. Ihre Zahl steige besonders deutlich in den westdeutschen Bundesländern mit einem besonders hohen Ausländeranteil in einer "nicht tolerablen Größenordnung", schrieben die Autoren des Papiers.

 In der Diskussion über die Ursachen dieser großen Defizite gibt es nach wie vor keine Einigkeit. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) forderte in der Bild-Zeitung "mehr Förderunterricht, mehr Lehrer und gezieltere Ausbildung zukünftiger Lehrer". Zudem müßten "die Eltern mit Migrationshintergrund ihre Kinder unseren Kindergärten anvertrauen" und sich nicht "gegenüber der deutschen Umwelt abschotten". Stärkere Bemühungen von Eltern und Schülern ausländischer Herkunft forderte auch Lehrerverbands-Chef Josef Kraus. Es müsse "bundesweite, verbindliche Sprachtests vor der Einschulung" geben und "Strafen für Eltern, die nicht darauf achten, daß ihre Kinder die Schule besuchen". Deutschland müsse sich laut Kraus endlich von der "reichlich romantischen Zuwanderungspolitik" der vergangenen Jahrzehnte verabschieden.

Türkische Zeitungen nahmen indes  Schüler und Eltern aus Zuwandererfamilien in Schutz. Nicht die Kinder von Einwanderern trügen in erster Linie für die schlechten Leistungen die Verantwortung, sondern "die verfehlte deutsche Bildungspolitik", schrieb Hürriyet.

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