© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/08 05. Dezember 2008

Dem Leuchtturm geht das Licht aus
Medien: Bundesinnenminister Schäuble verbietet arabischen Fernsehsender Al-Manar / Kritiker sehen Deutschlands Mittlerrolle in Gefahr
Matthias Berg

Beinahe hätte kaum jemand Notiz davon genommen, daß der libanesische Fernsehsender Al-Manar ("Der Leuchtturm") in Deutschland von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) verboten wurde. Nicht wie sonst üblich mit einer Presseerklärung gab das Ministerium das Verbot bekannt, lediglich im Bundesanzeiger (Ausgabe Nr. 171 vom 11. November 2008) war nachzulesen, daß ein "Vereinsverbot gegen Al-Manar TV" erlassen worden sei.

Die Welt zitiert zur Begründung des Vereinsverbotes "Regierungskreise", der Sender verbreite Haß- und Hetzpropaganda gegen "die Juden" und gegen das "Existenzrecht des Staates Israel". Eine Sendeunterbrechung sei durch die Verfügung nicht zu erwarten. Weitere Maßnahmen in Deutschland seien mit dem Verbot nicht verbunden, da der Sender hierzulande über keine Infrastruktur verfüge.

Das klingt schon sehr merkwürdig. Wozu dann ein "Verbot", wenn es ohnehin nichts bewirkt? Arabische Medien berichten, es handle sich bei dem deutschen Verbot vor allem um ein symbolisches Geschenk an Israel, wo man es gerne sähe, wenn Deutschland nach dem Vorbild der USA die libanesische Schiitenorganisation Hisbollah als "Terrororganisation" einstufen würde - bislang ist das (noch) nicht geschehen.

Einiges spricht für die arabische Sicht der Dinge: So wurde der israelische Minister für öffentliche Sicherheit, Avi Dichter, als einer der ersten während eines Arbeitsbesuchs in Berlin von Schäuble über das Verbot unterrichtet.

Al-Manar hat sein Hauptstudio in der libanesischen Hauptstadt Beirut und steht der schiitischen Hisbollah ("Partei Gottes") nahe. Das Programm ist hochprofessionell gemacht und alles andere als reine Rund-um-die-Uhr-Propaganda gegen Israel. In den Beiruter Studios werden neben politischen und religiösen Sendungen Talkshows, Kindersendungen und Entertainment produziert.

Wie viele Zuschauer Al-Manar täglich empfangen, ist unbekannt, man geht aber von einer Zahl zwischen zehn und fünfzig Millionen aus. In den arabischen Ländern gehört Al-Manar zu den fünf beliebtesten Fernsehsendern. Auch in Deutschland wird das Programm von muslimischen Einwanderern gern gesehen.

Kritisiert wird der Sender vor allem wegen seiner anti-israelischen Ausrichtung. In langen Reportagen werden beispielsweise die Familien sogenannter "Märtyrer" vorgestellt, die im Kampf gegen das israelische Militär gefallen sind. Auch sonst wird der Hisbollah reichlich Sendeplatz eingeräumt. Vor allem seit dem Sommerkrieg 2006, bei dem die israelische Armee erfolglos versuchte, den Libanon anzugreifen, erfreut sich Al-Manar großer Beliebtheit unter den Arabern, da seine Korrespondenten nicht selten die Hisbollah-Einheiten an vorderster Front begleiteten.

Mit Stolz berichtet der Sender hierzu auch über die "Märtyrer" aus den eigenen Reihen: Zwei Al-Manar-Reporter kamen damals während ihrer Arbeit ums Leben - das schafft noch mehr Glaubwürdigkeit in der arabischen Welt. Bei internationalen Konzernen ist Al-Manar längst als zugkräftiger Werbeträger mit einer hohen Reichweite anerkannt. Dort laufen Werbespots für Pepsi, Coca Cola, Western Union, Gauloise, Red Bull und auch Henkel.

Das "Verbot" von Al-Manar in Deutschland läßt sich durchaus als eine Vorstufe zum Verbot der Hisbollah deuten. Vor allem Politiker aus den Reihen der CDU sowie die Medien des Springer-Konzerns fordern dies. Daß dies aber gleichzeitig bedeuten würde, Deutschlands Rolle als neutraler Mittler im Nahen Osten aufs Spiel zu setzen, wird kaum thematisiert.

Bereits mehrmals konnte in den vergangenen Jahren unter deutscher Vermittlung ein Gefangenenaustausch zwischen Israel und der Hisbollah eingefädelt werden. Ein generelles Verbot und die Einstufung als Terrororganisation könnte also zu einem enormen Ansehensverlust Deutschlands in der arabisch-muslimischen Welt führen. Bedrohliches Signal für andere Sender

Auch andere arabische Fernsehstationen dürften das Al-Manar-Verbot als bedrohliches Signal wahrnehmen, berichten diese doch ebenfalls tendenziell anti-israelisch, wenn es um den Nahost-Konflikt geht. Der deutsch-jüdische Historiker Arno Lustiger schrieb jedenfalls pünktlich zum Al-Manar-Verbot durch Schäuble in der Welt: "Von den Antennen der arabischen Fernsehsender Al-Dschasira, Al-Arabija und Al-Manar trieft täglich, auch in Wohnungen in Deutschland, der abgründige genozidale Haß gegen den Westen und die Juden."

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