© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/08 12. Dezember 2008

ARD-Dokumentation: Die letzte Fahrt der "Columbus"
Nicht dem Gegner das wertvolle Schiff überlassen
Christian Dorn

So sehr das Dritte Reich heute als negativer Gründungsmythos dient, so seltsam abgekapselt, ja enigmatisch mutet es an. Um so spannender sind lebendige Bilder, die ohne manch zurechtdramatisiertes Format auskommen. Ein solcher Fall sind die Filmaufnahmen von der letzten Fahrt des deutschen Kreuzfahrtschiffes "Columbus". Als dieses am 20. Juni 1939 den Heimathafen Bremerhaven verläßt, ahnt niemand, daß es die letzte Fahrt sein wird.

Unmittelbar vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs herrscht unter den internationalen Gästen an Bord - Franzosen, Briten, Deutschen - eine ausgelassene und unbeschwerte Stimmung. Wenig später, unter karibischem Himmel, sind sie unversehens zu "Feinden" geworden. Das Schiff läuft daraufhin Havanna an und läßt die Passagiere aussteigen. Vom neutralen Hafen Santa Cruz in Mexiko läuft es am 14. Dezember wieder aus, um den Durchbruch nach Deutschland zu wagen. Fünf Tage später wird die "Columbus" - welche Ironie der Namensgebung - entdeckt. Der britische Zerstörer HMS Hyperion bringt das Schiff auf, doch die Besatzung unter Kapitän Wilhelm Dähne will das wertvolle Schiff nicht dem Gegner überlassen - sie setzt es in Brand und öffnet die Seeventile. Die "Columbus" versinkt im Atlantik vor Norfolk/Bermuda. Die Besatzung wird vom US-Kreuzer "Tuscaloosa" aufgenommen und in den USA interniert.

Grundlage der packenden Dokumentation sind die einzigartigen 16-mm-Farbfilmaufnahmen und Fotografien des damaligen Bordfotografen Richard Fleischhut, der zu jener Zeit bereits ein Starfotograf war. Dem Autor Reinhard Joksch ist es zudem gelungen, ehemalige Besatzungsmitglieder der "Columbus" zu finden: den Steward Gerhard Zeidler, den Bordhandwerker Walter Hahn oder den Heizer Paul Neubert. Vor der Kamera erinnern sie sich an das fatale Ende, als sei es noch ganz gegenwärtig.

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