© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/08-01/09 19./26. Dezember 2008

"La festa è finita"
Italien: Die Finanz- und Wirtschaftskrise ist nun mit Verspätung eingetroffen / Doch die Banken kamen bislang glimpflich davon
Paola Bernardi

Der Blick von oben, von der Spanischen Treppe aus, ist umwerfend: Die festlich geschmückte schnurgerade Via Condotti teilt das Häusermeer, und erst am Nachmittag fallen die Sonnenstrahlen auf diese teuersten Trottoirs Roms und wetteifern mit der aufwendigen Lichterdekoration. Nirgendwo werden höhere Ladenmieten gezahlt als auf dieser kurzen römischen Luxusmeile: Dior, Prada, Gucci, Armani, Max-Mara, Ferragamo; alle, aber auch alle sind hier vertreten. Dazwischen die Juwelierläden mit ihren funkelnden Auslagen. Ständig schiebt sich der dichte Strom der Passanten und Touristen durch diese Straße, um sich an dem Luxus zu weiden.

Auf den ersten Blick scheint die Weltfinanzkrise, die nun auch Italien erreicht hat, angesichts der Menge anderswo. Doch es ist nur ein Schaupublikum. Sobald man die Läden betritt, wird man umzingelt von Verkäuferinnen. Plötzlich ist der Kunde wieder König, denn die Luxusgeschäfte sind leer. Nur ab und an verläuft sich ein russisches Paar, das wie immer im großen Stil einkauft, ebenso die Araber: Vom hektischen Weihnachtsgeschäft des Normalverbrauchers - wie all die Jahre zuvor - bisher keine Spur.

Leere auch auf dem Corso, der pulsierenden Lebensader Roms mit Hunderten von Läden. Die Masse der Leute drängt sich zwar an den Schaufenstern vorbei, doch selbst die Lockangebote - "Zwei für drei" oder Reduzierungen bis zu 50 Prozent - reizen die wenigsten. "Die Krise wird erst im Januar bei uns richtig ankommen", prophezeit pessimistisch der Taxifahrer, der in der Vorweihnachtszeit Sonderschichten fährt. Die italienischen Bürger haben Angst. Alle klagen: vom Supermarktbesitzer bis zum Kioskverkäufer.

"La festa è finata - Schluß mit lustig", so der übereinstimmende Tenor. Nur die Pizzerien sind noch immer voll von Touristen. Dabei zeigten sich Italiens Banken im Gegensatz zu den deutschen bisher bemerkenswert resistent gegenüber dieser weltweiten Krise. Sie haben das dritte Quartal mit der Lehman-Brothers-Pleite gut überstanden. Der Grund dafür, daß das italienische Bankensystem so glimpflich davongekommen ist, liegt in der Rückständigkeit von Teilen des italienischen Finanzsystems sowie der Verflechtung zwischen Politik und Bankwesen.

Während US-Banken fast unbesehen ohne Absicherung Kredite an ihre Kunden gewährten, sind die Italiener äußerst penibel bei der Vergabe von Krediten. Sie überprüfen bis auf den i-Punkt die Bonität ihrer Kunden; deshalb scheuen viele Italiener den Weg zum Geldinstitut und fallen mitunter lieber in die Hände von Wucherern.

Das italienische Bankwesen blieb immer reglementiert, und auch die Politik spielte stets in der Bankengeschichte mit. Allein zwei italienische Ministerpräsidenten - Carlo Azeglio Ciampi (später sogar Staatspräsident) und Lamberto Dini - waren einstige Bankpräsidenten.

Der Ehrgeiz der italienischen Banker hält sich in Grenzen, sie scheinen daher in der Regel gefeit gegenüber spekulativen Abenteuern bei der Suche nach außerordentlichen Renditen, wie in Deutschland geschehen. Der heimische Markt bietet attraktive Margen. Außerhalb ist der Blick von Italiens Bankenwelt vor allem nach Osteuropa gerichtet und weniger auf die USA.

Nachdem die letzten Konjunkturdaten befürchten lassen, daß Italien nun auch eine schwere Rezession droht, hat die Mitte-Rechts-Regierung von Silvio Berlusconi jetzt ein Konjunkturpaket verabschiedet. Mit einem Bündel sozialer Hilfen und Investitionen von 80 Milliarden Euro soll die Krise abgefedert werden. Und es schlägt die Stunde des italienischen Wirtschaftsministers und Denkers Giulio Tremonti, der schon vor einem Jahr ein Buch über die heraufziehenden Gefahren der Globalisierung schrieb. Jetzt präsentierte er eine neue Zahlkarte, die arme Rentner und Familien mit Kleinkindern beanspruchen können.

Die "Social Card" wird vom Finanzministerium ab Oktober (rückwirkend) mit einem Guthaben von 40 Euro pro Monat ausgestattet und soll vor allem der verbilligten Versorgung von Grundnahrungsmitteln, Strom und Gas dienen.

Anspruch auf diese Karte haben Rentner sowie Familien mit mindestens einem Kind und einem Jahreseinkommen von höchstens 6.000 Euro. Die Zahl der Berechtigten wird auf 1,3 Millionen geschätzt. Als Vorbild diente das US-Food-Stamps-Programm. Finanziert wird dieser Familienbonus durch eine "Pornosteuer" - die Steuer auf diese Artikel wurde drastisch erhöht.

Sozial Schwache und Familien sollen zudem im Februar 2009 einmalig 200 bis 1.000 Euro erhalten. Die Regierung will auch Familien helfen, die für ihren Hauskauf Hypotheken mit variablen Zinssätzen vereinbart haben. Für sie wird der Zins auf vier Prozent festgelegt, den Rest übernimmt der Staat - zumindest für 2009.

Der Wirtschaft hilft die Regierung durch steuerliche Absetzbarkeit der Gewerbesteuer, und die Mehrwertsteuer muß erst beim Zahlungseingang entrichtet werden. Das neue Gesetz sieht auch vor, daß der italienische Staat zur Stärkung der Eigenmittel der Banken stimmrechtlose Wandelanleihen erwerben kann. Die Institute müssen sich dafür einem Ehrenkodex unterwerfen.

Foto: Via Condotti: Verkauf von gefälschten Taschen schon vor der Krise

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