© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/08-01/09 19./26. Dezember 2008

Zeitschriftenkritik: Mare
Reif für die Insel
Werner Olles

Die zweimonatlich erscheinende "Zeitschrift der Meere" beschäftigt sich in der aktuellen Ausgabe (Dezember 2008/Januar 2009) in ihrer Titelgeschichte mit der anstehenden Autonomie Grönlands. Die größte Insel der Welt mit ihrer winterlichen Kälte und Dunkelheit ist auf dem Weg zur politischen Unabhängigkeit. Dafür hat sich das grönländische Volk jüngst mit überwältigender Mehrheit entschieden (JF 51/08). Doch steht die Frage im Raum, ob die Insel wirtschaftlich ohne Dänemark bestehen kann. So sollen die Inuit umgeschult und die traditionelle Jagd nach Robben oder Eisbären reichen, Devisen bringenden Touristen überlassen werden.

Tatsächlich hängen die Grönländer bislang vollständig am Tropf Dänemarks: Polizei, Schule, Krankenhaus, Flughafen, Bank, Supermarkt, so gut wie alles wird von Kopenhagen subventioniert, die Inuit-Jäger werden gar wie Staatsbeamte alimentiert. In Quaanaag, der nördlichsten Stadt Grönlands, hat der dänische "Kapitalismus-Coach" Steen Andersen nun die schwierige Aufgabe, den im Klassenraum des Gemeindezentrums vor ihm sitzenden Jägern ihre aussichtslose Lage klarzumachen, sie auf den kommenden Einzug des Turbokapitalismus vorzubereiten - und das, ohne ihnen in dieser Stadt, die "in Alkohol schwimmt", auch noch die letzte Hoffnung zu nehmen. Aber wovon soll Quaanaag, sollen die 3.000 hauptberuflichen grönländischen Jäger in Zukunft leben, wenn die Subventionen der Autonomiebehörde wegfallen?

Doch es geht noch um viel mehr. Die Inuit mit ihren Hundeschlitten, ihren Eisbärenhosen und ihrer eigenen altertümlichen Sprache, all dies gehört unabdingbar zur nationalen Identität und kulturellen Tradition Grönlands. Der Däne Andersen hat das "afrikanische Modell" vor Augen, wenn er an Grönlands Zukunft denkt. Das Geld der Jagd-Touristen soll die Inuit unabhängig machen. Ob die Jäger und die 60.000 Einwohner dieser mächtigsten Insel der Erde, die sechsmal größer ist als Deutschland, das auch so sehen und bereit sind, ihre traditionellen Fischer- und Jägergemeinschaften für solch eine ungewisse Zukunft zu opfern, steht allerdings in den Sternen. Aber letztlich wird der Modernisierungsdruck sie wohl dazu zwingen.

Über die eigentümliche Tradition der sogenannten Ba'Games auf den schottischen Orkney-Inseln informiert ein weiterer Beitrag. Zweimal jährlich, zu Weihnachten und am Neujahrsmorgen, finden in Kirkwall diese Spiele statt, bei denen ein lederner Ball, der Ba', ins jeweilige Heimtor gebracht werden muß. Dabei handelt es sich um ein Haustor bzw. einen tennisplatzgroßen Teil des Hafenbeckens. Zwei Mannschaften, die "Uppies" aus der Oberstadt und die "Doonies" aus der Unterstadt, stehen sich gegenüber. Die Teams kommen nur für dieses Ereignis zusammen, es gibt kein Training, jeder kann mitmachen, und Regeln kennt man hier auch nicht. Dementsprechend geht es ganz schön ruppig zur Sache. Nach Wikingerart wird gerannt, geschlagen, gestoßen und geflucht, doch zum Glück endet die Massenkeilerei um den kleinen Medizinball meist ohne große Verletzungen.

Anschrift: Dreiviertel Verlag. Sandthorqualhof, Pickhuben 2. 20457 Hamburg. Das Einzelheft kostet 7,50 Euro, das Jahresabo 39 Euro. Internet: www.mare.de

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