© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/08-01/09 19./26. Dezember 2008

Liebe in Zeiten der Kälte
Kino: "So finster die Nacht" von Tomas Alfredson
Claus-M. Wolfschlag

Eine ungewöhnliche Geschichte ist es, die der schwedische Regisseur Tomas Alfredson nun verfilmt hat. Sie führt in eine triste schwedische Vorstadt, der selbst der verschneite nordische Winter nur wenige romantische Facetten hinzufügen kann. Die Fassaden der Blocks sind grau, die Tapeten bräunlich, die Siedlungsbewohner dünsten Alkohol aus, und erst spät wird dem Zuhörer deutlich, daß er sich nicht in einer morbiden Kaurismäki-Szenerie befindet, sondern die Handlung in den 1970er Jahren spielen soll.

In dieser Welt lebt der zwölfjährige Oskar (Henrik Dahl) mit seiner überforderten Mutter. Er ist ein introvertierter Junge, der von Klassenkameraden regelmäßig gedemütigt wird. Unfähig, sich zu wehren, schwelgt Oskar erst recht in Gewaltphantasien, wenn er bei Dunkelheit in der Grünanlage vor stummen Bäumen Drohgebärden vollzieht. In einer solchen Nacht lernt er die gleichaltrige Eli (Lina Leandersson) kennen, die gerade neu in die Nachbarschaft gezogen ist. Auch sie lebt zurückgezogen, verschlossen, nur mit einem älteren Begleiter zusammen, der manchen als ihr Vater erscheint, es aber nicht ist. Eli wandert nur nachts und leicht bekleidet durch die Straßen, scheint aber trotz eisiger Kälte nicht zu frieren.

Oskar und Eli freunden sich an, und das Band zwischen den beiden gesellschaftlichen Außenseitern wird noch enger, als sich ihre Notlage verschärft. Oskars Kontrahenten in der Schule werden immer hemmungsloser, Eli hingegen leidet unter Nahrungsmangel, nachdem ihr Begleiter verschollen bleibt und das Mädchen fortan alleine in der Wohnung haust. Zudem erschüttert eine Mordserie den Ort. Langsam bemerkt Oskar, daß Eli nicht nur kein normales Mädchen ist, sondern ein Geheimnis in sich trägt ...

Alfredson ist ein bemerkenswerte Verfilmung des Bestsellers von John Ajvide Lindqvist gelungen, denn "So finster die Nacht" schwebt stilsicher und mit bemerkenswerter Leichtigkeit über Genres hinweg: teils nicht für Kinder geeignetes Jugenddrama, teils Charakter- und Sozialstudie, gelegentlich blutiger Horrorstreifen mit komödiantischen Elementen und stets anrührende Liebesgeschichte. Ein ruhig erzählter Film über eine zarte Freundschaft, voller Poesie und mit in sich vereinenden Gegensätzen, bei dem niemals Langeweile aufkommt.

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