© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/09 02. Januar 2009

Meldungen

Erster Weltkrieg: Erfolg der Advokatenrepublik

PARIS. Der 11. November 1918 ist noch heute im Gedächtnis der Grande Nation fester verankert als der 8. Mai 1945. Schließlich war das der letzte Krieg, den Frankreich (halbwegs) aus eigener Kraft gewinnen konnte. Darum ist es nur konsequent, wenn La Nouvelle Revue d’Histoire (39/2008) zum 90. Jahrestag des Waffenstillstands die „Urkatastrophe“ des Ersten Weltkriegs, den „Schlüssel zum europäischen Schicksal des 20. Jahrhunderts“ (Dominique Venner), ausführlich behandelt. Einen sehr kritischen Blick wirft Philippe Conrad dabei auf den „Vater des Sieges“, Georges Clemenceau (1841–1929), den er als typisches Produkt der von „Affären“ geschüttelten „Advokatenrepublik“ porträtiert. Nichts in dieser maroden inneren Verfassung wies auf die vierjährige Standfestigkeit an der inneren wie äußeren Front hin, die es dem „Tiger“ im Krisenjahr 1917 erlaubte, Wilsons „paix sans victoire“ abzulehnen. Daß ihm mit Marschall Foch ein Feldherr zur Seite stand, der, wie Jean Kappel anmerkt, den modernen Krieg nicht verstanden habe – im Gegensatz zu Ludendorff, über den hier ein Abschnitt aus Wolfgang Venohrs Arbeit über den Generalquartiermeister nachgedruckt wird –, macht den französischen Triumph nur noch rätselhafter. Unangefochten von den Resultaten der Biographie Eckard Michels’ (JF 48/08) zeichnet Bernard Lugan den Kolonialkrieg um Deutsch-Ostafrika als Heldengeschichte des ritterlich fechtenden Generals Paul von Lettow-Vorbeck („une guerre de gentlemen“).

 

Im Zeitstrom: Augenärzte und Mathematiker 1933

STUTTGART. Neben einer überraschungsfreien Untersuchung über „Deutsche Augenärzteschaft und NSDAP“ des Tübinger Ophthalmologen Jens Martin Rohrbach sondiert im jüngsten Heft von Sudhoffs Archiv, der inzwischen im 92. Jahrgang erscheinenden Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte, Reinhard Siegmund-Schultze zum „Antisemitismus in der Weimarer Republik“ und zu den davon betroffenen Lebens- und Arbeitsbedingungen jüdischer Mathematiker. Obwohl er sich mit der Zuschreibung „typisch jüdischer“ Wertvorstellungen in „gefährlicher Nähe zu Nazi-Kategorisierungen“ wähnt, konstatiert er bei seinen Probanden doch stärkere „Elemente von Internationalität“ und eine „größere Variabilität in ihren politischen Positionen“, die offenbar auch mit ihrer „größeren Flexibilität und Kreativität“ als Forscher korrespondiere. Dies sind für Siegmund-Schultze hinreichend aussagekräftige Indizien, um zu behaupten: „Die“ jüdischen Mathematiker seien aufgrund der politischen Entwicklungen der Weimarer Republik „nie völlig in die wissenschaftliche Gemeinschaft integriert und schließlich 1933 ausgestoßen“ worden.

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