© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/09 09. Januar 2009

Stochern im Nebel
Fall Mannichl: Vier Wochen nach der Attacke auf Passaus Polizeichef wachsen die Zweifel, ob ein Rechtsextremist die Tat verübt hat
Peter Freitag

Knapp vier Wochen nach dem Anschlag auf den Leiter der Passauer Polizeidirektion, Alois Mannichl, ist immer noch kein Tatverdächtiger ermittelt worden. Die Sonderkommission, die mittlerweile in die Obhut des bayerischen Landeskriminalamts überstellt wurde, fahndet inzwischen nach einer Frau sowie (vermutlich) drei Männern, die in Zusammenhang mit der Tat gebracht werden und sich am 13. Dezember in Tatortnähe aufgehalten haben sollen.

Galt es unmittelbar nach dem Attentat noch als ausgemacht, daß der Täter aus dem rechtsextremen Milieu komme, heißt es in neueren Stellungnahmen der Ermittler, seine Zugehörigkeit zum "rechten Spektrum" sei wahrscheinlich, er könne sich jedoch "auch im Punker- oder Rockermilieu, aber auch in der Gothic-Szene aufhalten". Von den ursprünglich im detaillierten Wortlaut bekanntgegebenen Beleidigungen, die der Täter laut Aussage seines Opfers ausgesprochen habe, findet sich in jüngeren Mitteilungen der Ermittlungsbehörden nichts mehr. Sie hatten den Verdacht, es liege ein rechtsextremer Tathintergrund vor, noch wahrscheinlicher erscheinen lassen.

Gerade mit Hinweis darauf war die politische und mediale Debatte um ein erneutes Verbotsverfahren gegen die NPD so richtig in Fahrt gekommen, der "Fall Mannichl" somit zum Politikum geworden. Tatsächlich wurden auch unmittelbar nach der Tat zwei Männer festgenommen, die der Passauer Neonazi-Szene angehören sollen, der Tatverdacht ließ sich jedoch nicht erhärten. Vier Tage später nahm die Polizei ein Ehepaar aus München fest, das ebenfalls Kreisen der "freien Nationalisten" zugeordnet wird. Doch auch hier reichten die Beweise nicht für die Fortführung eines Strafverfahrens.

Daß man damit angesichts dieser noch immer ziemlich dünnen Faktenlage vielleicht (wieder einmal) übers Ziel hinausgeschossen sein könnte, dämmert nun auch manchem Journalisten. So stellte etwa der Kommentator der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung hinsichtlich der modifizierten Fahndungsaufrufe und mit Blick auf "viele neunmalkluge Interviews" sowie "bei feierlichen nächtlichen Märschen 'gegen Rechts' angezündete Kerzen" ernüchtert fest: "Manche Reaktion der vergangenen Wochen erscheint nun als etwas voreilig."

Auch in anderen Presseberichten mehren sich mittlerweile die Zweifel an den ersten, vermeintlich sicheren Erkenntnissen über Täter und Motive. Unklar ist beispielsweise, ob der Täter bereits mit einer Tötungsabsicht zu Mannichls Haus gegangen ist oder "im Affekt" handelte. Denn das Tatwerkzeug - ein an der Haustür abgelegtes Küchenmesser - gehörte dem Opfer und war zur Benutzung bei einer vorweihnachtlichen Nachbarschaftsaktion bestimmt, bei der dargereichter Lebkuchen abgeschnitten werden sollte. Es sei zudem verwunderlich, daß ein so erfahrener Beamter, der dem Täter mindestens für die Dauer der verbalen Attacke schon gegenübergestanden haben muß, lange keine für ein Phantombild ausreichenden Angaben machen konnte.

Am vergangenen Samstag demonstrierten etwa 300 Personen aus dem Umfeld der NPD sowie sogenannter "freier Nationalisten" in Passau "gegen Polizeiwillkür und Medienhetze". Die Demonstranten sahen sich nach der Messerattacke auf Mannichl massiven Vorverurteilungen ausgesetzt und warfen der Kriminalpolizei sowie den Staatsschutzbehörden vor, den Anschlag auf den Polizeidirektor als Vorwand genutzt zu haben, um "einen Enthauptungsschlag gegen den Nationalen Widerstand in Bayern auszuführen". Die Stadt Passau hatte die Demonstration zunächst untersagt, war jedoch vor dem Verwaltungsgericht Regensburg unterlegen, welches die Verbotsverfügung kassierte. Lediglich das Verteilen von Lebkuchen-Männern verboten die Richter den Demonstrationsteilnehmern, da hierin wegen der Tatumstände im Fall Mannichl eine Schmähung des am 13. Dezember schwerverletzten Polizeidirektors gesehen wurde.

Mannichl kehrt an den Schreibtisch zurück

Wenige Stunden zuvor hatte der "Passauer Runde Tisch" eine Kundgebung "gegen Rechts" abgehalten, an der etwa 1.000 Personen teilnahmen. Die Polizei war eigenen Angaben zufolge mit knapp 1.500 Einsatzkräften vor Ort, es sei "zu keinen nennenswerten Störungen" gekommen. Im Vorfeld beider Demonstrationen hatten die Ordnungshüter 21 Personen festgenommen, "von denen zwölf dem linken und neun dem rechten Spektrum zuzuordnen" seien. Gegen die Mehrzahl der Festgenommenen sei ein "strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz bzw. wegen der Verwendung von Kennzeichen von verfassungswidrigen Organisationen eingeleitet" worden, vermeldet der Polizeibericht weiter.

Mannichl selbst soll laut einer Meldung der Polizeipressestelle am Mittwoch seinen Dienst als Direktionsleiter in Passau wieder aufgenommen haben.

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