© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/09 09. Januar 2009

Frisch gepresst

Gedenkstreit. Träfe die Aussage zu, daß sich im Umgang mit seinen Toten der zivilisatorische Stand eines Volkes offenbare, so sollten wir Deutschen uns auf die hinteren Plätze bequemen. Denn was vielerorts eine Selbstverständlichkeit darstellt - die Achtung des Andenkens eigener Gefallener -, ist hier mit Verklemmungen belastet. Daß nach der Weisung des Bundesverteidigungsministeriums zur Beisetzung Dieter Eißlings, des ersten im Dienst gefallenen Soldaten nach 1945, "kein Fahnenbegräbnis zu organisieren", der mediale Aufschrei ausblieb, annotierte einmal mehr ein beschädigtes kollektives Bewußtsein. Dieses Alleinstellungsmerkmal im internationalen Vergleich greift nun das neue Podiumskompendium des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge auf (Darf der Rote Baron wieder Held sein? Kassel 2008, broschiert, 96 Seiten). Diskutiert werden unter anderem von Michael Wolfssohn und Erika Steinbach die prinzipielle Frage nach der Notwendigkeit einer Erinnerungskultur, die Gefahren ihrer Ritualisierung sowie die Möglichkeit der Überwindung kulturhistorisch bedingter Ressentiments durch eine sogenannte "Transnationalisierung" des Gedenkens. Und auch wenn manche Beiträger weniger wegen ihres Inhalts als mehr der Medienwirksamkeit wegen eingeladen worden scheinen, gebietet der Kontext gleichwohl thematische Tiefe wie auch neue Anreize.

Im Malstrom. Als der Band der Zeitzeugenberichte von "Frauen in Königsberg 1945-1948 " vor zehn Jahren zum ersten Mal erschien, fanden sie mit Arnulf Baring einen prominenten Rezensenten und mit der FAZ ein Organ, das der Neuerscheinung hohe Aufmerksamkeit sicherte. Das erklärt aber nicht allein, warum dies zur erfolgreichsten Publikation der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen wurde. 2004 war die siebente Auflage restlos vergriffen, so daß man sich drei Jahre später entschloß, das inzwischen auch antiquarisch schwer zu bekommende Büchlein erneut aufzulegen (Bonn, broschiert, 188 Seiten, Abbildungen, 12,90 Euro). Es ist die selbst im Genre "Vertreibungsliteratur" seltene Konzentration unermeßlichen Leids, das hier drei Frauen im Malstrom der sowjetischen Eroberung und Besetzung Ostpreußens erfahren, die eine so große Resonanz auslöste: Erna Ewert, die im Gegensatz zu ihrem Sohn und ihrer Mutter die "Hungerhölle" im Ostseebad Cranz überlebt, Hannelore Müller, die das Schicksal ihrer 1947 in Königsberg verhungerten Mutter schildert, und Marga Pollmann, die als Sekretärin für August Winnig und Agnes Miegel tätig war und als Angestellte in der Königsberger Stadtverwaltung arbeitete, 1945 während eines berüchtigten "Verschleppungsmarsches" durch halb Ostpreußen ihren rechten Arm verlor und 1947 mehr tot als lebendig in die "SBZ ausgesiedelt" wurde.

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