© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/09 09. Januar 2009

Meldungen

Winston Churchills Staatsterrorismus

BERLIN. Zu vermelden ist ein sensationeller Text. Der in Melbourne lehrende Philosoph Igor Primoratz macht sich Gedanken über "Das Bombardement deutscher Städte im Zweiten Weltkrieg", das er als "moralische Frage" reflektiert und in der auch vom "Beirat" Jürgen Habermas mitverantworteten Deutschen Zeitschrift für Philosophie (Heft 3/08) zur Diskussion stellt. Und Habermas ist ein Gesinnungsfreund des USGroßdeuters Michael Walzer wie des gleichfalls von Primoratz vernichtend kritisierten Zeitgeistformatierers Hans Magnus Enzensberger, die beide zu den beflissenen Apologeten des alliierten Bombenterrors zählen. Denn als "Vergeltung" oder als Abwehr der "allerletzten Bedrohung der Menschheit durch den Nazismus", so diese famosen Moralisten, scheint ihnen die Tötung von 600.000, die schwere Verwundung von 800.000 und die Obdachlosigkeit von 13 Millionen Menschen sowie die Zerstörung "unermeßlicher kultureller Reichtümer" per se gerechtfertigt. In einer ebenso knappen wie bestechenden Argumentation hält Primoratz dagegen: "Gerechte" Vergeltung muß proportional sein. Die Zahl der durch Royal und U.S. Air Force getöteten deutschen Zivilisten übertraf aber die der durch Luftwaffe und V-Waffen-Beschuß getöteten Briten um das Zehnfache. Ein äußerster Notfall, der Sieg des "Nazismus", drohte einige Monate im Jahr 1942. Spätestens nach Stalingrad war die deutsche Niederlage besiegelt und der Luftterror also nicht mehr kriegsentscheidend. Fazit: Der Bombenkrieg war "schlicht und ergreifend" eine Greueltat, ein "Kriegsverbrechen riesigen Ausmaßes", die "längste und tödlichste Kampagne des Staatsterrorismus in Kriegszeiten".

 

Plettenberg: Zentrum Bonner Geistesgeschichte

PLETTENBERG. Nachdem der Carl-Schmitt-Förderverein im letzten Jahr im langjährigen Nachkriegsasyl seines Namenspatrons gegründet wurde (JF 10/07), präsentiert er sich seinen Mitgliedern mit dem ersten Heft der Plettenberger Miniaturen. Es widmet sich den Feierlichkeiten zum 90. Geburtstag des Staatsrechtlers, der 1978 natürlich von "Bonn" ignoriert wurde, der aber, ein imposantes Foto mit der Gratulantenschar beweist es, doch Anlaß gibt, darüber zu reflektieren, ob das sauerländische Industriestädtchen nicht dank seines berühmtesten Sohnes zu einem zentralen Ort in der Geistesgeschichte der westdeutschen Bundesrepublik geworden ist. Der Althistoriker Christian Meier, dem hier in einem Gespräch Impressionen seiner häufigen Schmitt-Besuche entlockt werden, hat gegen diese Zuschreibung nichts einzuwenden - sich an eine neidische Habermas-Äußerung erinnernd, der zufolge es in Plettenberg leider "interessanter" gewesen sei als in Frankfurt.

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