© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/09 30. Januar 2009

Mangelhafte Integrationsleistungen
Einwanderung: Eine Studie stellt den Türken in Deutschland ein schlechtes Zeugnis aus / Defizite in der Bildung
Felix Krautkrämer

Es sind nicht die besten Zeugnisse, die verschiedene Studien Zuwanderern in Deutschland in jüngster Zeit ausgestellt haben. Im vergangenen August erst hatte die Stiftung Marktwirtschaft darauf aufmerksam gemacht, wie stark Ausländer hierzulande zunehmend die Sozialsysteme belasten (JF 34/08). Grund dafür ist deren durchschnittlich niedriges Bildungsniveau, das dazu führt, daß Ausländer im Verhältnis ein wesentlich niedrigeres Steueraufkommen haben als Deutsche, gleichzeitig jedoch erheblich mehr Transferleistungen beziehen.

Mit dem Bildungsgrad beschäftigt sich nun auch eine am Montag veröffentlichte Studie des Berliner Instituts für Bevölkerung und Entwicklung, die den Stand der Integration in Deutschland untersucht. Fazit: Türkische Zuwanderer, die die zweitgrößte Zuwanderergruppe in Deutschland bilden und von denen die Hälfte hierzulande geboren wurde, landeten auf dem letzten Platz eines von dem Institut erstellten Integrationsindex. Dieser berücksichtigt 20 Indikatoren wie beispielsweise Bildung, Familiensituation, Berufsleben und soziale Situation und geht über acht Stufen, wobei 1 für "mißglückte Integration" und 8 für "gelungene Integration" steht. Auf dieser Skala erhielten die türkischen Zuwanderer im Schnitt eine 2,4. Grund für das schlechte Abschneiden: Deutschlandweit hätten rund 30 Prozent von ihnen keinen Schulabschluß. Zudem heirateten 93 Prozent der hier geborenen Türken innerhalb der türkischen Gemeinschaft.

Am besten integriert ist laut der Studie die Gruppe der EU-Zuwanderer mit einem Schnitt von 5,5, gefolgt von der größten Zuwanderergruppe, den Aussiedlern, die durchschnittlich mit 5,1 bewertet wurden. Bei der Abhängigkeit von öffentlichen Leistungen liegen die Türken mit 16 Prozent im hinteren Mittelfeld. Am abhängigsten sind mit 34 Prozent Zuwanderer aus dem Nahen Osten, gefolgt von Afrikanern, die zu 24 Prozent auf öffentliche Leistungen angewiesen sind.

Von den Städten liegt bei der Integration München auf Platz eins. Bei einem Zuwandereranteil von 31 Prozent lag der Schnitt der Integrationsleistung in der bayerischen Landeshauptstadt bei 5,9. Das Schlußlicht bilden Nürnberg (4,1) mit einem Zuwandereranteil von 32 Prozent und Duisburg (3,75), das einen Zuwandereranteil von 25 Prozent zu verzeichnen hat.

Die Wissenschaftler sehen vor allem bei der Bildung Nachholbedarf. So sollten beispielsweise Schulen zu ganztägigen Integrationszentren ausgebaut werden. Deutschland könne sich angesichts des demographischen Wandels nicht leisten, auf die Potentiale seiner Zuwanderer zu verzichten.

Der Vorsitzende des Deutsch-Türkischen Forums der CDU in Nordrhein-Westfalen, Bülent Arslan, machte für die in der Studie aufgezeigten Defizite die Politik in Deutschland verantwortlich. Diese habe bis zum Ende der neunziger Jahre versäumt, sich um die Integration der Zuwanderer zu bemühen.

Der Dialogbeauftragte der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt der Religion (Ditib), Bekir Alboga, hingegen zweifelte das Ergebnis der Studie an. Der Neuen Osnabrücker Zeitung sagte er, "wir werden uns sehr kritisch mit dieser Studie auseinandersetzen müssen. Solche Aussagen zu formulieren, fällt häufig leichter, als sie dann tatsächlich auch an wissenschaftlichen Standards gemessen zu verifizieren."

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) rief dazu auf, die Studie auch als Chance zu begreifen, den Integrationsprozeß weiter voranzutreiben. Deutschland könne auf kein einziges Talent verzichten. Die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer (CDU) kündigte an, sie werde an ihrem Ziel festhalten, bis 2012 das Bildungsniveau der Zuwanderer dem von deutschen Schülern anzugleichen.

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