© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/09 06. Februar 2009

"Nicht nur mit dem Finger auf Muslime zeigen"
Berlin: Eine Tagung zur Bekämpfung des Antisemitismus blickt vor allem auf den Rechtsextremismus und tut sich mit dem Islamismus schwer
Fabian Schmidt-Ahmad

Die Kampfhandlungen im Gaza-Streifen sind zumindest offiziell beendet. Geblieben sind Narben, nicht nur im Nahen Osten, sondern auch mitten in Deutschland. Etwa bei Lala Süsskind, die als energische Frau bekannt ist und seit einem Jahr der Jüdischen Gemeinde zu Berlin vorsteht. In der vergangenen Woche trat eine Vorsitzende ans Mikrofon, die von den Geschehnissen der jüngsten Zeit im Gaza-Streifen und in Israel sichtlich erschüttert war. "Genervt" sei sie von dem Thema, bekannte sie, als sie die einleitenden Worte zur Veranstaltung "Antisemitismusbekämpfung in der Hauptstadt" sprach - und zählte eine Liste von Übergriffen auf, die im Zuge der antiisraelischen Proteste auf Juden stattfanden.

Ihre Schilderung hätte im Hinblick auf die historischen Erfahrungen zweifellos für ein beklemmendes Gefühl gesorgt - wäre das Publikum im Saal nicht sowieso schon aufgebracht gewesen. Einige der anwesenden Juden wußten nämlich von eigenen Erlebnissen zu berichten, die so gar nicht zum fröhlichen, multikulturellen Anstrich passen wollen, den der Berliner Senat beständig auf die Fassade der Hauptstadt malt.

Dabei konnte man dem anwesenden Innensenator Ehrhart Körting (SPD) keinen Vorwurf machen. So wollte er es einer Demonstration zur Auflage machen, nicht für die radikalislamische Hamas zu werben. Jedoch scheiterte er vor Gericht. "Wir probieren aus, was geht und was nicht geht", sagte Körting etwas kleinlaut. In bezug auf Moslems scheint eher weniger zu gehen.

Ideologischer  Vorbeter der Grünen

Auch sonst scheint man in Deutschland mit der Ahndung antisemitischer Straftaten jenseits des Rechtsextremismus erstaunlich schwerfällig zu sein - sofern man sie überhaupt zur Kenntnis nimmt. "Antisemitismus gibt es nicht nur von rechts", stellte immerhin die integrationspolitische Sprecherin der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, Bilkay Öney, fest.

Sie kritisierte sogar den ideologischen Vorbeter der Grünen, den Sozialwissenschaftler Wilhelm Heitmeyer, weil dieser sich in seinen Untersuchungen nur auf einen Antisemitismus der Deutschen konzentriert habe. In der Tat fragt Heitmeyer, der eine angebliche Judenfeindlichkeit der Deutschen nachweisen möchte, alles mögliche ab - nur nicht einen möglichen Einwanderungshintergrund des Befragten. Heitmeyer wird wohl den Grund kennen, und auch Öney dürften nicht ihre gedanklichen Kapriolen entgangen sein. So wetterte sie auf der Veranstaltung im wesentlichen gegen dasjenige, was eine Grünen-Sprecherin für "rechtsextremistisch" hält, forderte eine bessere Finanzierung im "Kampf gegen Rechts" und eine geringere Scheu vor der "Antifa". Würde man nicht die Wirklichkeit, sondern nur die Rede von Öney kennen, müßte man glauben, die NPD habe 6.000 palästinensische Einwanderer ideologisiert und auf Berlins Straßen geschickt.

Und auch Öneys Lösungsansatz klingt ähnlich fundiert. Stellte sie einleitend - zu Recht - fest, daß die Schule nicht gegen den Antisemitismus ankämpfen könne, so forderte sie zum Schluß mehr Schulprojekte "für Toleranz und gegen Rassismus". Dabei dürfe man "nicht nur mit dem Finger auf die Muslime zeigen", sondern müsse "die ganze Schiene fahren".

Eine "Opferkonkurrenz" dürfe es nicht geben

Mit anderen Worten: Man darf überhaupt nicht auf Moslems zeigen, die aus Öneys Sicht Opfer der deutschen Gesellschaft sind. Auch nicht die Juden, die da wohl etwas enger zusammenrücken müssen. Denn "Opferkonkurrenz", so Öney, dürfe es nicht geben. Moslems als Opfer - auch an diesem Abend eine verbreitete Behauptung. Eine interessante Theorie äußerte ein türkischer Juso-Politiker aus dem Publikum. So seien türkische Jugendliche darum zunehmend antisemitisch eingestellt, weil sie hierzulande mit Arabern in "Ghettos" eingesperrt wären. Keiner der anwesenden Juden empörte sich über diese anmaßende Behauptung.

Der Münchner Historiker Michael Wolffssohn, sonst ein Kritiker des islamophilen Rausches der Deutschen, scheint mit der Entwicklung schon abgeschlossen zu haben. Auf die Frage, ob die Jüdische Gemeinde mit ihrer bisherigen Politik versagt habe, sich als Interessenvertretung von Einwandergruppen zu verstehen, antwortete er knapp mit "Ja". Doch statt eines Umdenkens beschwor Wolffssohn an dem Abend eine "Allianz der Schriftgläubigen" und verwies auf duldende Elemente im Islam. Man darf dem Veteranen des Sechs-Tage-Krieges wohl ein historisches Wissen darüber unterstellen, daß diese Duldung von Christen und Juden schlechterdings Apartheid bedeutet.

Schmerzhafte Erkenntnisprozesse stehen der Jüdischen Gemeinde bevor. Bis dahin macht man einfach so weiter wie bisher. So zog das Publikum anschließend zu einer Demonstration weiter - gegen die NPD.

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