© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/09 13. Februar 2009

"Der Schaden könnte nicht größer sein"
Papst-Kritik III: Der ehemalige CDU-Politiker Martin Hohmann sieht seine frühere Partei auf Abwegen und fühlt sich an die Kampagne gegen sich erinnert
Marcus Schmidt

Der frühere Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann wurde 2003 nach einer fälschlicherweise als antisemitisch bezeichneten Rede aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und später auch aus der CDU ausgeschlossen. Merkels Verhalten im Streit um die Piusbruderschaft ruft bei Hohmann Erinnerungen an die Kampagne gegen ihn wach.

Herr Hohmann, glauben Sie, daß Merkel mit ihrer Kritik an Papst Benedikt XVI. der CDU geschadet hat?

Hohmann: Im papsttreuen, katholischen Milieu könnte der Schaden nicht größer sein. Wenn Zeitungen titeln: "Jetzt geht Merkel auf Benedikt los", dann sind diese Katholiken, die jahrzehntelang die treuesten CDU-Wähler waren, in einer emotionalen Tiefenschicht mitgetroffen. Die Attacke von der CDU-Spitze auf den Papst ist so etwas wie ein Sakrileg. Es herrscht Fassungslosigkeit. Die Aussagen zur Papst­rüge reichen von "unverständlich" über "unmöglich" zu "skandalös" bis "frech". Nach diesem Tabubruch würden Wählerstimmen für die Merkel-CDU wie Verrat an der eigenen religiösen Identität empfunden.

Warum hat sich die Kanzlerin Ihrer Meinung nach überhaupt geäußert?

Hohmann: Ich kann mich schlecht in Frau Merkel hineinversetzen. Aber offensichtlich fehlt ihr durch die DDR-Sozialisation ein Gespür für die emotionale Befindlichkeit der überwiegend westdeutschen CDU-Stammkundschaft. Die Neigung, weltweit Ratschläge zu erteilen und Noten zu vergeben ("deutsches Wesen"), kommt hinzu. Kein CDU-Kanzler vor ihr hätte allerdings auch nur daran gedacht, dem Papst öffentlich Lehren zu erteilen. Entweder war Angela Merkel ganz schlecht beraten, oder sie handelte gegen ihre Berater. Am ehesten dürfte sie äußerem Druck nachgegeben haben.

Sehen Sie Parallelen zur sogenannten Hohmann-Affäre?

Hohmann: Es gibt auffallende Gemeinsamkeiten. In meinem Fall hat Merkel zunächst verkündet: "Wir haben ihn scharf und öffentlich gerügt und seine Strafversetzung verfügt, das soll reichen!" Dann wurde weiterer öffentlicher Druck vom Zentralrat der Juden über die Springer-Presse und die ARD aufgebaut. Merkel hat ihre Meinung schnell geändert und meinen Rauswurf verfügt. Im aktuellen Fall ist es ähnlich: Zunächst hat sich die Kanzlerin rausgehalten, bis unter anderem aus dem Zentralrat der Juden und aus der Springer-Presse massiv Front gegen den Papst gemacht wurde - dann hat auch sie sich gegen Benedikt gestellt. In beiden Fällen wurde mit dem Vorwurf des angeblichen Antisemitismus gearbeitet. Als erhellende Pointe kommt hinzu, daß Angela Merkel in beiden Fällen in einer Formation mit Michel Friedman stand, für den Benedikt ein "Lügner und Heuchler" ist.

In ihrem Fall hat kaum jemand in der CDU Merkel widersprochen.

Hohmann: Während der Hohmann-Affäre herrschte in der Union und in der Unionsfraktion die nackte Angst, Existenzangst. Wer sich irgendwelcher Sympathien für Hohmann verdächtig machte, mußte ebenfalls mit der Diffamierung als Antisemit und infolgedessen mit schwersten Konsequenzen rechnen. Insofern war die Aussage des CSU-Abgeordneten Norbert Geis, "Hohmann ist kein Antisemit, er hat auch nichts Antisemitisches gesagt", ein Akt geradezu heroischer Zivilcourage. Abgestuft galt ähnliches für die Bundestagsabgeordneten Vera Lengsfeld und Peter Gauweiler.

Wie bewerten Sie die Entscheidung des Papstes?

Hohmann: Der Papst agiert als Mann des Ausgleichs. Er hat die Hand in alle Richtungen ausgestreckt. Ich nenne hier Hans Küng und die chinesischen Staatsbischöfe. Er ist zudem intensiv um eine Annäherung mit der orthodoxen Kirche bemüht. So ist es nur folgerichtig, die drohende Abspaltung der Lefebvre-Traditionalisten abzuwenden und ihnen ebenfalls die Hand zu reichen. Stärkung der Kirche durch Versöhnung - das ist die Linie seines Handelns.

Man hat den Eindruck, daß viele Kritiker nur auf einen Grund gewartet haben, um den Papst zu kritisieren.

Hohmann: Ja. Zum einen konnte man Benedikt, einem Kirchenmann unangreifbarer intellektueller Brillanz, eins auswischen. Zum anderen ist Benedikt bei persönlicher Verbindlichkeit in den entscheidenden Aussagen des Lehramtes kristallklar: Es gibt eine Wahrheit. Die Wahrheit ist durch Christus offenbart. Die katholische Kirche hütet den Schatz dieser Wahrheit. Sie kann und darf von dieser Wahrheit nicht abweichen. Das ist für viele - besonders für Intellektuelle - schlicht unerträglich. Einengung der als absolut gedachten Freiheit durch moralische Vorgaben und ewige Wahrheiten, das will man nicht hinnehmen. Und deswegen beklagt der Papst seinerseits den Relativismus der heutigen Zeit. Die tiefere Absicht vieler Attacken läßt sich so zusammenfassen: Schwächung der Kirche durch Schwächung des Papstes.

 

weitere Interview-Partner der JF

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen