© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/09 13. Februar 2009

Zank um die Farben
Politische Zeichenlehre LXVII: Reichseinheitsflagge
Karlheinz Weissmann

Es scheint in den Geisteswissenschaften, zumal in der Geschichte, so, daß irgendwann jedes Thema "drankommt". Das erklärt hinreichend, warum jüngst auch eine Tagung über den "Reichskunstwart" der Weimarer Republik, Edwin Redslob (1884-1973), stattfand und in dem Zusammenhang auf dessen Bemühungen um die "Reichseinheitsflagge" hingewiesen wurde.

Redslob, für den man das Amt ganz neu geschaffen hatte, sollte sich mit der "künstlerischen Formgebung des Reiches" befassen, zeigte dabei aber keine glückliche Hand. Das war schon an seinen Bemühungen um die Neugestaltung des Reichswappens erkennbar gewesen. Nachdem die Republik entschieden hatte, am Adler festzuhalten, der aber seine monarchischen Attribute verlieren sollte, verfiel Redslob darauf, ein Sammelsurium modernistischer Entwürfe anzubieten. Fehlende Kompetenz zeigte sich noch deutlicher an seinen Entwürfen für die erwähnte Reichseinheitsflagge. Redslob verstand nichts von Heraldik und Flaggengestaltung, weshalb man seine Vorschläge bestenfalls als gut gemeint betrachten kann.

Ziel seines Vorschlags war es, den unseligen "Flaggenstreit" zu beenden, den die Weimarer Republik selbst durch den Kompromißcharakter der Bestimmungen über die Reichsfarben heraufbeschworen hatte, indem sie einerseits Schwarz-Rot-Gold zu den Nationalfarben erklärte, aber fallweise die Weiterverwendung von Schwarz-Weiß-Rot erlaubte. Auch als es Mitte der zwanziger Jahre zu einer kurzfristigen Stabilisierung der politischen und wirtschaftlichen Lage kam, hatte das praktisch keine positiven Auswirkungen auf die Klärung der Symbolfrage. Kennzeichnend war vielmehr, daß sich 1925 im Kampf um die Reichspräsidentschaft ein "Reichsblock Schwarz-Weiß-Rot" und ein "Volksblock Schwarz-Rot-Gold" gegenüberstanden.

In den Flaggenstreit hatten sich außerdem die Organisationen der Auslandsdeutschen eingemischt, die ungebrochen an Schwarz-Weiß-Rot festhielten. Um ihren Wünschen nachzukommen, legte die bürgerliche Minderheitsregierung unter dem parteilosen Reichskanzler Luther am 5. Mai 1926 eine Verordnung vor, in der bestimmt war, daß die "konsularischen Behörden" nunmehr neben den Farben Schwarz-Rot-Gold die Handelsflagge (Schwarz-Weiß-Rot mit Schwarz-Rot-Gold im Obereck zum Mast) aufziehen sollten. Es folgte eine erbitterte Auseinandersetzung, in deren Verlauf das Kabinett zum Rücktritt gezwungen wurde. Für die Sozialdemokraten und die DDP handelte es sich bei jedem Angriff auf Schwarz-Rot-Gold um einen Angriff auf die Republik, die Rechte höhnte dagegen über "Schwarz-Rot-Mostrich" und sah in Luthers Vorschlag nur eine Halbheit.

In dieser Situation schlug Redslob vor, von der Trikolore ganz abzugehen und ein Tuch mit rot-gelb geviertem Schach zu wählen, auf das das Deutschordens- beziehungsweise das Eiserne Kreuz aufgelegt werden sollte. Geglückt war dieser Entwurf nicht, während man von zwei alternativen Entwürfen für die Reichseinheitsflagge sagen muß, daß sie es verdient gehabt hätten, gründlicher erwogen zu werden.

Der erste stammte von Ottfried Neubecker, dem bedeutendsten Heraldiker der jungen Generation, der, wie schon andere vor ihm seit der Revolution von 1848, für die Farben Schwarz-Gold-Rot eintrat. Auf diese Weise hätte man nicht nur Schwarz-Rot-Gold in die heraldisch richtige Reihenfolge gebracht, sondern auch optisch an die Fahne des Bismarckreiches angeknüpft. Als zweite Option schlug er ein rotes "skandinavisches" Kreuz, golden gefaßt, auf schwarzem Grund vor.

Daneben ist noch auf das Projekt von Hans Domizlaff hinzuweisen. Domizlaff (1892-1971) war einer der bedeutendsten Werbefachleute Deutschlands und machte den - durchaus plausiblen - Vorschlag, die Grundsätze der von ihm konzipierten "Marken-Technik" auf die "Propagandamittel der Staatsidee" anzuwenden. Er plädierte für eine Flagge mit dem Reichsadler auf goldenem Feld. Der Entwurf hatte nicht nur aus allgemeinen ästhetischen Gründen einiges für sich, sondern auch, weil es sich um eine Wiederanknüpfung an die am wenigsten umstrittene Symboltradition in Deutschland handelte.

Als Domizlaff seine Vorstellungen zu Beginn der dreißiger Jahre veröffentlichte, hatte der Flaggenstreit allerdings schon eine neue Qualität angenommen, im Kampf um die Macht traten jetzt ganz andere Symbole in den Vordergrund, und an Ausgleich war weniger denn je zu denken.

Foto: Entwürfe für die Reichseinheitsflagge von Ottfried Neubecker, 1926: Bedenkenswert

Die JF-Serie "Politische Zeichenlehre" des Historikers Karlheinz Weißmann wird in zwei Wochen fortgesetzt.

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