© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/09 20. Februar 2009

Ostfriesische Windmühlen
Energiepolitik: Deutsche Windkraftgroßanlagen in der Nord- und Ostsee / 9,5 Prozent des Strombedarfs aus Windenergie?
Wolfhard H. A. Schmid

Offensichtlich wird jetzt auch in Deutschland mit Windkraftgroßanlagen Ernst gemacht. Inzwischen sind für die Nordsee 19 und für die Ostsee fünf solcher Projekte genehmigt worden. Dazu befinden sich jeweils 47 Projekte bzw. sechs Anlagen im Genehmigungsverfahren. Insgesamt sind 5.000 Windräder in der Nordsee und 1.200 in der Ostsee vorgesehen, mit einer Leistung zwischen drei und acht Megawatt (MW). Sollten alle beantragten Projekte genehmigt werden, würde unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Winddauer und -Stärke damit ab 2015 eine jährliche Energieleistung von 60 Terawattstunden (entspricht 60 Milliarden Kilowattstunden bzw. kWh) zur Verfügung stehen. Das entspricht etwa 9,5 Prozent des deutschen Stromverbrauchs von 2007.

Windpark erzeugt Strom für etwa 460.000 Haushalte

Im Gegensatz zu Schweden, wo stufenweise ein Großprojekt mit einer Leistung von insgesamt 2,8 Milliarden kWh in sieben unbesiedelten und wildarmen Regionen im Norden des Landes realisiert wird (JF 3/09), müssen in Deutschland wegen der hohen Besiedlungsdichte andere Wege gegangen werden. Die Anlagen sind "off-shore", das heißt etwa 35 bis 135 Kilometer von der Nordseeküste entfernt vorgesehen. Bei den Ostseeprojekten beträgt die Entfernung zur Küste 20 bis 35 Kilometer. Dabei müssen die Windrädertürme in einer Wassertiefe von 10 bis 40 Meter installiert werden.

Als erste Energieversorgungsunternehmen haben die Stadtwerke München (SWM) und die Südhessische Energie AG (HSE) Mitte Januar die Gründung einer gemeinsamen Gesellschaft mit weiteren Partnern für den Bau und die Betreibung eines Nordsee-Windparks bekanntgegeben. Bei zwei der weiteren Partner handelt es sich um Projektierungsgesellschaften, die über das entsprechende Fachwissen verfügen. Die beiden Energieversorgungsunternehmen beteiligen sich mit jeweils 24,9 Prozent an der Projektgesellschaft Wetfeet Off­shore Windenergy GmbH und die Projektierungsunternehmen mit je zehn Prozent. Die restlichen Anteile von 30,2 Prozent werden durch einen bisher nicht genannten deutschen Privatinvestor als voraussichtlichen Generalunternehmer und eine Bank erworben.

Das Projekt wurde mit einer Investitionssumme von 1,3 Milliarden Euro veranschlagt. In der Endphase soll der Windpark eine jährliche Leistung von 1,4 Terawattstunden aufbieten. Im Vergleich zu einem Kohlekraftwerk werden damit theoretisch über eine Million Tonnen Kohlendioxydausstoß vermieden - wenn man die Vorhaltekapazitäten für den Strombedarf bei Windflaute außer acht läßt. Die Stromeinspeisung soll über die bereits im Bau befindliche Kabeltrasse der Eon Netz GmbH erfolgen. Vorgesehen ist ein Standort 93 Kilometer nördlich von Juist, einer ostfriesischen Insel am Wattenrand der südlichen Nordsee. Bis 2013 sollen in zwei Bauabschnitten 80 Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 400 Megawatt (MW) in dem Nordsee-Windpark "Global Tech I" im Betrieb sein.

Rammschläge könnten Meeresfauna gefährden

Sollte dabei für die Turminstallation die bisher übliche Rammtechnik ohne dämmende Maßnahmen angewendet werden, befürchten Umweltschützer allerdings eine Gefährdung der Meerestiere, insbesondere der Schweinswale, weil die Rammschläge einen hohen Schalldruck im Wasser verursachen und das ökologische Gleichgewicht stören. Bei einem im vergangenen Herbst von der Deutschen Energie Agentur (Dena) in Verbindung mit der Fachhochschule Kiel veranstalteten Arbeitskreis im Hamburger Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie wurden Ergebnisse mit Schallemissionen vorgestellt, die bei der Installation der Forschungsplattform FIN3 aufgetreten sind.

Dabei wurde festgestellt, daß Schall­emissionen beim Rammen der Forschungsplattform in einem Frequenzbereich aufgetreten sind, in dem die Hörempfindlichkeit von Schweinswalen und Robben noch klein ist. Die zur Dämmung verwendeten sogenannten Blasenschleier vermindern zwar den Schalldruckpegel, sind aber über ihren Pilotstatus hinaus noch nicht industriell einsetzbar. Die Schweinswale sollen nach den Installationsarbeiten wieder zurückgekehrt sein. Inwieweit solche Pilotergebnisse mit den Schallpegeln von Großparks vergleichbar sind, ist mehr als fraglich. Wegen der Bedenken von Umweltschützern will das Bundesministerium für Umwelt deshalb weitere Arbeiten auf diesem Gebiet unterstützen. Ob durch solche Vorbehalte und durch die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise ein zügiger Ausbau der Windenergie auf See gefährdet ist, bleibt abzuwarten.

Weitergehende Informationen im Internet unter www.offshore-wind.de

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