© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/09 20. Februar 2009

Frisch gepresst

Die Hanse. Steht die Europäische Union in der Tradition jenes spätmittelalterlichen Kaufmannsbundes, der als "Hanse" jahrhundertelang die Geschichte Nordeuropas prägte? Anders gefragt: "Die Hanse - eine frühe EU"? Wohl eher nicht. Die Hanse war zwar mindestens so "undemokratisch" wie der Brüsseler Moloch, aber sie war außenpolitisch eindeutig schlagkräftiger, obwohl ihre Mitglieder gänzlich ohne "Gemeinschaftsvertrag" agierten. Obwohl sich das Aktualisierungpotential für mögliche Traditions- und Sinnstiftungsversuche durch so simple Vergleiche also rasch gegen Null fahren läßt, fehlt es an Bestrebungen zur Revitalisierung des "Hansegedankens" nicht. Hansetage werden seit 1980 wieder abgehalten, und eine "Hansekommission" hat die Veranstaltungsorte gar bis 2029 schon festgelegt. Und einer das nordwestliche Niedersachsen und Nordholland umspannenden "Hanse Interregio" ist es gelungen, ein EU-Förderprogramm (auf gut deutsch: "Hanse Passage") zu etablieren, das 2007 immerhin 7,2 Millionen Euro für "regionale Zusammenarbeit" auch in Frankreich, Lettland oder Polen ausgeschüttet hat. Grund genug für Hartmut Schwerdtfeger, unter dem Titel "Die Hanse und ihre Städte" zu einer Lesereise von Brügge bis Riga einzuladen (Aschenbeck Verlag, Bremen 2008, broschiert, 128 Seiten, Abbildungen, 12,80 Euro). Was man über die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, die städtische Topographie und Architektur des einstigen Hanseraums wissen muß, vermittelt Schwerdtfeger auf eingängige sowie durch historische und aktuelle Bilder auch optisch ansprechende Weise. Höchst unangenehm fällt indes auf, daß ostdeutsche Hansestädte wie Stettin oder Danzig derart zeitgeistkompatibel präsentiert werden, daß die Nationalität ihrer Bewohner im Nebel bleibt. Zwischen Polen im 12. Jahrhundert, Dänen (!), Franzosen ("für kurze Zeit") und "wieder Polen" erscheinen die Deutschen in Stettin wie Gäste auf der Durchreise.

Innsbrucker Studenten. "Zwischen Kaiser Franz Joseph I. und Schönerer" nennt der Historiker Andreas Bösche in seinem Titel die beiden Pole, die das Selbstverständnis der akademischen Jugend im k.u.k.-Zeitalter ausdrücken (Die Innsbrucker Universität und ihre Studentenverbindungen 1859-1918. Studien Verlag, Innsbruck 2008, broschiert, 305 Seiten, 36,90 Euro). Dabei tendiert insbesondere nach 1900 das Gros der deutschsprachigen Studenten in Richtung des deutschnationalen Politikers Georg von Schönerer und überläßt den dynastischen Reichsgedanken des greisen Habsburgers Kaisers allenfalls Vertretern "seiner Völker", wenn diese nicht schon selbst lieber ihr nationales Süppchen kochen. Bösche gelingt es mit seiner akribischen Studie des korporierten Mikrokosmos an der Universität Innsbruck, genau diesen Spannungsbogen zu erschließen bzw. zu belegen.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen